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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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du redest, Jüngelchen! – Weil du nüchtern bist, deshalb sagst du wohl so dreckiges Zeug.«
    »Ich sag, daß du ein Schurke bist, daß du im Zuchthaus enden wirst ... Erstens hast du unsere Mutter vor Kummer ins Grab gebracht ...«
    Der Trunkenbold klopfte mit seinem Löffel auf den Rand der Schüssel, entfesselte so in dem Punsch einen Feuersturm und bekam keine Luft mehr vor Lachen.
    »Gut, gut! Red nur immer weiter so! – Klar bin ich's gewesen, falls du es nicht warst.«
    »Und ich sag außerdem, daß Freßsäcke wie du es nicht verdienen, daß das Getreide wächst ... Wenn man bedenkt, daß du unsere Erde, jawohl, all unsere Erde, die unsere Alten mit soviel Mühe zusammengehalten haben, damit sie sie uns hinterlassen könnten, verpfändet hast, anderen zugeschoben hast ... Dreckiger Hundsfott, was hast du mit unserer Erde gemacht?«
    Auf einmal geriet Jesus Christus in Zorn. Sein Punsch erlosch, er machte sich breit, lehnte sich hintüber auf seinem Stuhl, als er sah, daß alle Trinker schwiegen und zuhörten, um sich ein Urteil zu bilden.
    »Die Erde«, brüllte er, »aber die schert sich den Teufel um dich, die Erde! Du bist ihr Sklave, sie nimmt dir dein Vergnügen, deine Kraft, dein Leben, du Trottel! Und sie macht dich nicht einmal reich! – Ich hingegen, der ich die Erde verachte, der ich die Hände in den Schoß lege und mich begnüge, ihr Fußtritte zu versetzen, nun ja, ich, siehst du, ich lebe von meinen Zinsen, ich kipp mir einen hinter die Binde! – Ach, du Dämlack du!«
    Die Bauern lachten noch, während Geierkopf, durch die Schärfe dieses Angriffs überrumpelt, sich begnügte zu stammeln:
    »Taugenichts! Faulpelz! Pfuscher, der nicht arbeitet und sich dessen noch rühmt.«
    »Die Erde, was für ein Quatsch!« fuhr Jesus Christus fort, der in Fahrt gekommen war. »Du bist ja schon versauert, wahrhaftig, wenn du immer noch an diesen Quatsch glaubst ... Die Erde, gibt's das denn überhaupt? Die Erde gehört mir, die Erde gehört dir, die Erde gehört niemandem. Hat sie nicht dem Alten gehört? Und hat er sie nicht zerstückeln müssen, um sie uns zu geben? Und du, wirst du sie nicht auch zerstückeln für deine Kinder? – Also, was? Die kommt, die geht, die wird mehr, die wird weniger, die wird vor allem weniger; denn da kommst du dir nun vor wie ein großer Herr mit deinen sechs Arpents, wo unser Vater neunzehn hatte ... Mich hat's angewidert, mir war's zu klein, ich hab's verjuxt. Und dann sind mir solide Geldanlagen lieber, und die Erde, siehst du, Jüngelchen, die kracht auseinander! Ich würde nicht einen Liard darauf setzen, die riecht nach dreckigem Geschäft, nach einer erbärmlichen Katastrophe, die euch alle wegputzen wird ... Der Bankrott! Ihr Tröpfe.«
    Totenstille entstand nach und nach in der Schenke. Niemand lachte mehr, die besorgten Gesichter der Bauern drehten sich nach diesem großen Teufel um, der im Rausch das verschrobene Durcheinander seiner Ansichten vom Stapel ließ, die Ideen eines alten Kommißhengstes aus Afrika, eines Herumtreibers in Städten, eines Weinschenkenpolitikers. Was in diesem Durcheinander obenauf schwamm, das war der Mann von 1848, der das Wohl der Menschheit verfechtende Kommunist, der vor der Revolution von 1789 noch auf den Knien lag.
    »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Durch Revolution muß man dahin zurückkommen. Man hat uns betrogen bei der Teilung, die Bürger haben alles genommen und, Himmelsakrament, man wird sie zwingen, es wieder rauszurücken ... Ist ein Mensch nicht soviel wert wie der andere? Ist es denn zum Beispiel gerecht, daß diesem Tropf auf La Borderie die ganze Erde gehört und mir nichts? – Ich will mein Recht, ich will mein Teil, jedermann soll sein Teil haben.«
    Bécu, der zu berauscht war, um die Obrigkeit zu verteidigen, stimmte zu, ohne etwas zu begreifen. Aber er hatte doch noch ein Fünkchen klaren Verstand, er machte Einschränkungen:
    »Das stimmt! Das stimmt ... Aber der König ist der König. Was mir gehört, gehört nicht dir.«
    Ein zustimmendes Gemurmel lief um, und Geierkopf rächte sich:
    »Hört doch nicht auf den Strolch, der ist nicht mehr wert, als daß man ihn totschlägt.«
    Das Lachen begann wieder, und Jesus Christus verlor jedes Maß, er stellte sich hin und hieb mit den Fäusten drein.
    »Warte nur, das nächste Mal ... Ja, dann werde ich ein Wörtchen mit dir reden, verdammte Memme! Heute spielst du dich auf, weil du auf seiten des Bürgermeisters, des Stellvertretenden Bürgermeisters,

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