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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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grüne Tuch der Halme allmählich gelb geworden. Nun sahen sie aus wie ein blondes, in Brand gesetztes Meer, das das Flimmern der Luft widerzuspiegeln schien, ein Meer, das beim leisesten Windhauch seine Feuerdünung wälzte. Nichts als Getreide, weder ein Haus noch ein Baum war zu erblicken, die Unendlichkeit des Getreides! Zuweilen schläferte in der Hitze eine bleierne Ruhe die Ähren ein; aus der Erde dampfte und strömte ein Fruchtbarkeitsgeruch. Die Niederkunft ging ihrem Ende entgegen, man spürte, wie der aufgequollene Same, zu warmen und schweren Körnern geworden, aus der gemeinsamen Gebärmutter hervorspritzte.
    Und angesichts dieser Ebene, dieser riesigen Ernte, überkam den Menschen ein Bangen, jenes Bangen, daß er das niemals werde bewältigen können, er, dessen Körper in dieser Unermeßlichkeit so klein war wie der eines Insekts.
    Da Hourdequin auf La Borderie seit einer Woche mit dem Roggen fertig war, nahm er den Weizen in Angriff. Im Jahre zuvor war seine Mähmaschine aus den Fugen geraten; und verzweifelt über die Böswilligkeit seines Gesindes und schließlich selber an der Leistungsfähigkeit der Maschinen zweifelnd, hatte er schon um Himmelfahrt einen Trupp Schnitter angeworben. Dem Brauch gemäß hatte er sie aus dem Perche, aus Mondoubleau, geholt: den Vormäher, einen langen Dürren, fünf weitere Mäher, sechs Binderinnen, vier Frauen und zwei junge Mädchen. Ein zweirädriger Karren hatte sie soeben nach Cloyes gebracht, wo der Wagen des Gehöfts sie abgeholt hatte. Sie schliefen alle im Schafstall, der um diese Zeit leer war, die Mädchen, die Frauen, die Männer, bunt durcheinander und halb nackt wegen der großen Hitze.
    Zu dieser Zeit hatte Jacqueline immer die meiste Arbeit. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bestimmten die Arbeit: schon um drei Uhr morgens kroch man aus der Falle, und man legte sich gegen zehn Uhr abends wieder ins Stroh. Und sie mußte wegen der Suppe um vier Uhr als erste auf den Beinen sein; wie sie sich auch als letzte schlafen legte, wenn sie die Hauptmahlzeit um neun Uhr aufgetragen hatte, den Speck, das Rindfleisch, den Kohl. Zwischen diesen beiden Mahlzeiten gab es drei andere, Brot und Käse zum Frühstück, die zweite Suppe zu Mittag, in Milch gebrocktes Brot zur Vesper; im ganzen fünf reichliche Mahlzeiten, die mit Zider und Wein begossen wurden, denn die hart arbeitenden Schnitter sind anspruchsvoll. Aber sie lachte, war wie aufgepeitscht, sie hatte stählerne Muskeln bei ihrer Katzengeschmeidigkeit; und diese Widerstandsfähigkeit bei Strapazen war um so erstaunlicher, als sie zu jener Zeit Tron, diesen großen viehischen Kerl, den Kuhknecht, diesen Riesen, auf dessen zarte Haut sie heißhungrig war, mit ihrer Liebe schier zu Tode rackerte. Sie hatte ihn zu ihrem Hund gemacht, sie nahm ihn mit in die Scheunen, auf den Heuboden, in den Schafstall; denn der Schäfer, dessen Nachspionieren sie fürchtete, schlief jetzt draußen bei seinen Schafen. Und besonders nachts tat sie sich gütlich an diesem Mannestier und war hinterher elastisch und wendig und summte vor Geschäftigkeit. Hourdequin sah nichts, erfuhr nichts. Er hatte das Erntefieber, ein besonderes Fieber, die jährlich wiederkehrende Krise seiner Leidenschaft für die Erde, ein richtiges inneres Beben, sein Kopf brannte, sein Herz klopfte, all seine Sinne wurden durchschüttelt angesichts dieser reifen Ähren, die umsanken.
    Die Nächte waren in diesem Jahr so brennend heiß, daß Jean sie mitunter nicht in seinem Hängeboden neben dem Pferdestall verbringen konnte, in dem er sonst schlief. Er ging ins Freie, er streckte sich lieber ganz ausgezogen auf dem Pflaster des Hofes aus. Und nicht allein die lebendige und unerträgliche Wärme der Pferde und die Ausdünstung der Streu verjagten ihn, sondern auch die Schlaflosigkeit. Françoises ständig gegenwärtiges Bild, die fixe Idee, daß sie komme, daß er sie nehme, daß er sie in einer Umarmung verzehre. Jetzt, da ihn Jacqueline, die anderweitig beschäftigt war, in Ruhe ließ, schlug seine Freundschaft zu dieser Göre in rasende Begierde um. Zwanzigmal hatte er sich in dieser Qual, die er im Halbschlummer durchstand, geschworen, daß er am nächsten Tage hingehen und daß er sie kriegen werde; sobald er aber aufgestanden war und seinen Kopf in einen Eimer kaltes Wasser getaucht hatte, fand er das dann ekelhaft; er war zu alt für sie, und in der nächsten Nacht begann die Marter von neuem.
    Als die Schnitter eingetroffen waren, erkannte er

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