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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wie sie sich so hintüberneigte, das Kreuz hohl, den straffen Busen so vorgepreßt, daß der dünne Stoff schier barst, sah er sie an. Auch sie troff von Schweiß in ihrem halb aufgegangenen Baumwollkleid, und unter dem oben aufgehakten Mieder konnte man das weiße Fleisch sehen. Unter dem blauen Taschentuch, mit dem sie den Kopf und den Nacken bedeckt hatte, wirkten ihre Augen sehr groß in ihrem stummen, vor Hitze glühenden Gesicht.
    Ohne ein Wort hinzuzusetzen, machte er sich wieder an seine Arbeit, wiegte sich in den Hüften, streckte die Schwaden hin bei jedem Sensenhieb, unter dem Zischen des Eisens, das zu seinem Schreiten den Takt angab; und Françoise bückte sich von neuem, folgte ihm, die rechte Hand mit der Sichel bewaffnet, die sie dazu benutzte, um zwischen den Disteln ihren Armvoll Ähren zusammenzuraffen, den sie dann regelmäßig alle drei Schritte in Schwaden hinlegte. Als er sich wieder aufrichtete, nur um sich mit dem Handrücken die Stirn abzuwischen, und er sie von hinten sah, den Arsch hoch, den Kopf dicht am Boden, in jener Stellung des Weibestiers, das sich anbietet, schien seine Zunge noch trockner zu werden, er schrie mit heiserer Stimme:
    »Faulpelz! Mußt zusehen, daß du nicht durchgezogen wirst.« Palmyre war auf dem Nachbarfeld, wo seit drei Tagen das Stroh der Schwaden getrocknet war, beim Garbenbinden; und auf die paßte er nicht auf, denn – was man sonst kaum machte – er bezahlte sie nach der Zahl der gebundenen Garben, unter dem Vorwand, sie sei nicht mehr kräftig, sei bereits zu alt und verbraucht, und er würde dabei verlieren, wenn er ihr dreißig Sous gebe wie den jungen Frauen. Sie hatte ihn sogar anflehen müssen, er hatte sich nur entschlossen, sie zu nehmen, weil er sie betrügen und dabei auch noch die ergebene Miene eines Christen aufsetzen konnte, der sich zu einem guten Werk bereit findet. Die Unglückselige hob drei, vier Schwaden auf, soviel ihre mageren Arme fassen konnten; dann umschlang sie ihre Garbe fest mit einem fertigen Strohband. Dieses Garbenbinden, diese Arbeit, die so hart war, daß sie sich gewöhnlich die Männer vorbehielten, erschöpfte sie, ihre Brust war zermalmt von den ständigen Lasten, ihre Arme wie zerschlagen, weil sie solche Massen umfassen und die Strohbänder fest anziehen mußten. Sie hatte am Morgen eine Flasche mitgebracht, die sie Stunde um Stunde an einem fauligen und verpesteten Tümpel wieder füllte, und sie trank gierig trotz des Durchfalls, der sie, hinfällig wie sie war durch das ständige Übermaß an Arbeit, seit Beginn der Hitzeperiode fertigmachte.
    Aber der Himmel war nicht mehr blau, war verblichen, war farblos geworden wie ein zur Weißglut erhitztes Gewölbe; und von der Sonne, deren Feuer immer stärker brannte, fielen Gluten herab. Es war nach dem Mittagessen, die schwüle, drückende Stunde der Siesta57. Delhomme und seine Leute, die, nicht weit von dort entfernt, bereits damit beschäftigt waren, Garben zu Puppen zusammenzustellen, vier unten und eine oben als Dach, waren verschwunden, lagen alle auf dem Boden einer Geländefalte. Einen Augenblick lang sah man noch den alten Fouan dastehen, der bei dem Schwiegersohn lebte, seit er vor zwei Wochen sein Haus verkauft hatte; aber auch er mußte sich langlegen, man sah ihn nicht mehr. Und gegen den leeren Horizont, den glühenden Hintergrund der Stoppelfelder, hob sich nur noch der dürre Schattenriß der Großen ab, die inmitten des Völkchens halbeingerissener Puppen eine Miete musterte, die ihre Leute angefangen hatten. Sie glich einem vom Alter verhärteten Baum, der von der Sonne nichts mehr zu fürchten hatte, stand kerzengerade da, ohne einen Tropfen Schweiß, und war furchtbar entrüstet über diese Leute, die da schliefen.
    »Ach, verflixt! Mir zerknallt die Haut!« sagte Geierkopf. Und sich nach Françoise umdrehend, meinte er: »Na, wollen wir schlafen?«
    Er schaute sich suchend nach einem bißchen Schatten um und fand keinen. Senkrecht prallte die Sonne überall nieder, und kein Strauch war da, der ihnen Schutz geboten hätte. Endlich merkte er, daß das am Ende des Feldes in einer Art Graben noch stehende Getreide einen braunen Streifen Schatten warf.
    »He, Palmyre«, rief er, »machst du's wie wir?«
    Sie war fünfzig Schritt entfernt, sie antwortete mit erloschener Stimme, die gleich einem Hauch herübertönte:
    »Nein, nein, keine Zeit!«
    Und in der umgluteten Ebene arbeitete nur noch sie. Wenn sie abends nicht ihre dreißig Sous heimbrächte,

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