Die Erde
Flußufer wohnenden Bürger auszuräubern. Das war übrigens nur ein Zeitvertreib, seine ganze fiebernde Leidenschaft galt der Jagd. Die Verheerungen, die er dabei anrichtete, erstreckten sich mehrere Meilen weit; und er verschmähte nichts, weder die Wachteln noch die Rebhühner, weder die Stare noch die Lerchen. Selten machte er von der Flinte Gebrauch, deren Knall in flachen Gegenden weit zu hören ist. Nicht eine Brut Rebhühner wurde in den Luzerne und Kleeschlägen großgezogen, ohne daß er sie kannte, und zwar so gut, daß er die Stelle und die Stunde wußte, da sich die Kleinen, die vor Schläfrigkeit schwerfällig und vom Tau durchnäßt waren, mit der Hand fangen ließen. Er hatte für Lerchen und Wachteln vervollkommnete Leimruten, er hieb mit Steinwürfen in die dichten Schwärme von Staren, die anscheinend von den heftigen Herbstwinden mitgebracht wurden. Seit zwanzig Jahren, seit er so das Wild der Gegend ausrottete, sah man kein Kaninchen mehr im Gestrüpp an den Hängen des Aigre, was die Jäger rasend machte. Und einzig die Hasen, die übrigens ziemlich selten waren, entwischten ihm, flitzten ungehindert in die Ebene, wo es gefährlich war, ihnen nachzustellen. Oh, die paar Hasen von La Borderie, von denen träumte er, er riskierte, ins Gefängnis zu kommen, um dann und wann einem von ihnen einen Flintenschuß zu verpassen. Wenn Fouan sah, daß er seine Flinte nahm, begleitete er ihn nicht: das war zu dumm, er würde schließlich bestimmt geschnappt werden.
Und das kam natürlich auch so. Es muß gesagt werden, daß der Hofbesitzer Hourdequin, der wütend war über die Vernichtung des Wildes auf seinem Gebiet, Bécu die strengsten Anweisungen erteilte; und dieser, der sich darüber ärgerte, daß er niemals jemand zu packen kriegte, schlief in einer Strohmiete, um mal aufzupassen. Eines Morgens nun also ließ ihn in der Dämmerung ein Flintenschuß, dessen Flamme ihm über das Gesicht strich, aus dem Schlaf hochfahren. Das war Jesus Christus, der hinter einem Strohhaufen auf dem Anstand saß und soeben fast auf Flintenlänge einen Hasen erlegt hatte.
»Aha, Himmelsakrament, du bist das!« schrie der Feldhüter und bemächtigte sich der Flinte, die der andere, um den Hasen aufzuheben, an die Miete gelehnt hatte. »Aha, du Lumpenhund! Das hätte ich mir denken müssen!«
In der Schenke waren sie ein Herz und eine Seele, in den Feldern aber konnten sie sich nicht ohne Gefahr begegnen, weil der eine immer darauf aus war, den anderen zu schnappen, und dieser entschlossen, jenem die Fresse einzuschlagen.
»Na schön! Ja, ich bin das, und ich scheiß auf dich! – Gib mir meine Flinte wieder!«
Bécu ärgerte sich bereits über seinen Fang. Gewöhnlich bog er bereitwillig nach rechts ab, wenn er Jesus Christus links erblickte. Wozu sich in eine garstige Geschichte mit einem Freunde einlassen? Aber diesmal war da die Pflicht, diesmal war es unmöglich, die Augen zuzudrücken. Und außerdem hat man zumindest höflich zu sein, wenn man sich was hat zuschulden kommen lassen.
»Deine Flinte, du Saukerl, die behalte ich, ich werd sie auf der Bürgermeisterei hinterlegen ... Und muckse dich nicht, mach keine Zicken, oder ich jag dir den anderen Schuß in die Gedärme!«
Jesus Christus, der entwaffnet und rasend war, schwankte, ob er ihm an die Gurgel springen solle. Als er dann sah, wie sich der andere dem Dorf zuwandte, begann er ihm nachzugehen und hielt dabei immer noch seinen Hasen, der an seiner Hand baumelte. Beide legten sie einen Kilometer zurück, ohne miteinander zu sprechen, und warfen sich wilde Blicke zu. Eine furchtbare Schlägerei, die jeden Augenblick beginnen konnte, schien unvermeidlich; allerdings wurde beider Verärgerung immer größer. Was für ein verflixtes Zusammentreffen!
Als sie hinter der Kirche, in nächster Nähe des Schlosses, anlangten, versuchte der Wilderer eine letzte Anstrengung:
»Los, stell dich nicht dumm, Alter ... Komm mit rein und trink ein Glas bei mir.«
»Nein, ich muß ein Protokoll aufnehmen«, antwortete der Feldhüter in strammem Ton. Und als ehemaliger Soldat, der nur seinen Befehl kannte, bestand er starrköpfig darauf. Allerdings war er stehengeblieben; als der andere ihn am Arm packte, um ihn mitzunehmen, sagte er schließlich: »Wenn du Tinte und eine Feder hast, na meinetwegen ... Bei dir oder woanders, mir ist das Wurscht, wenn nur der Schrieb aufgesetzt wird.«
Als Bécu zu Hause bei Jesus Christus ankam, ging gerade die Sonne auf; Vater Fouan,
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