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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sein, daß du dir nicht eher die Schnauze einschlägst, als es einem andern abzutreten ... Himmelherrgottsakrament! Einem andern! Diese Vorstellung da, die verschlagt mir das Blut! Du hast wohl kein Blut, du Saufkerl! – Und das alles, weil du die Erde vertrunken hast, verdammter Hundsfott du, du Liederjan, Drecksack, Schwein!«
    Wenn der Vater dann schier erstickte und vor Erschöpfung umsank, antwortete der Sohn seelenruhig:
    »Wie dumm, Alter, daß Ihr Euch so quält! Haut auf mich ein, wenn Euch das Erleichterung verschafft; aber Ihr habt wirklich keine Lebenserfahrung, ach, nein! – Na und, was denn? Man kann die Erde nicht essen! Wenn man Euch einen Teller Erde vorsetzen würde, würdet Ihr eine komische Fresse ziehen. Ich habe ein Darlehen darauf aufgenommen, weil das so meine eigene Art ist, Hundertsousstücke darauf wachsen zu lassen. Und dann wird man die Erde verkaufen, man hat meinen Schutzpatron Jesus Christus ja auch verkauft; und wenn ein paar Taler dabei für uns herausspringen, werden wir sie also vertrinken, da haben wir die wahre Weisheit! – Ach, mein Gott, wenn man tot ist, hat man Zeit genug, die Erde für sich zu haben!«
    Worin aber Vater und Sohn sich verstanden, das war ihr Haß auf den Gerichtsvollzieher, einen gewissen Vimeux, einen kleinen schäbigen Gerichtsvollzieher, dem man die lästigen Arbeiten aufbürdete, von denen sein Kollege in Cloyes nichts wissen wollte, und der sich eines Abends herauswagte, um auf dem Schloß einen gerichtlichen Entscheid zuzustellen. Vimeux war ein sehr unsauberes Männchen, ein gelbes Bartbüschel, aus dem nur eine rote Nase und Triefaugen hervorsahen. Stets als feiner Herr gekleidet, mit einem Hut, einem Gehrock, schwarzen Hosen, alles gräßlich verschlissen und fleckig, war er berühmt im Canton für die schrecklichen Trachten Prügel, die er jedes Mal von den Bauern bezog, wenn er sich gezwungen sah, fern von jeder Hilfe protokollarisch gegen sie vorzugehen. Sagen wurden erzählt von Reitgerten, die man auf seinem Buckel zerschlagen, von Bädern auf dem Grunde der Tümpel, zu denen man ihn gezwungen, von einer zwei Kilometer langen Galoppade unter Mistgabelschlägen, von Arschhieben, die ihm bei runtergezogenen Hosen Mutter und Tochter verabreicht hatten.
    Gerade kam Jesus Christus mit seiner Flinte nach Hause; und Vater Fouan, der auf einem Baumstumpf saß und seine Pfeife rauchte, sagte zornig schimpfend zu ihm:
    »Da ist nun die Schande, die du uns bringst, Taugenichts!«
    »Wartet mal!« murmelte der Wilderer mit zusammengebissenen Zähnen.
    Aber als Vimeux ihn mit einer Flinte erblickt hatte, war er in etwa dreißig Schritt Entfernung plötzlich stehengeblieben. Seine ganze jämmerliche schwarze, dreckige und korrekte Erscheinung zitterte vor Angst.
    »Herr Jesus Christus«, sagte er mit brüchigem Stimmchen, »ich komme wegen der Angelegenheit, Sie wissen ja ... Und ich lege das hier hin. Schönen guten Abend!«
    Er hatte das Stempelpapier auf einen Stein gelegt, und rasch machte er sich bereits rückwärts aus dem Staube, als der andere schrie:
    »Himmelsakrament, so ein Tintenscheißer, dem muß man erst Höflichkeit beibringen! – Willst du mir wohl deinen Schrieb bringen!« Und da der Unglückselige, der reglos und verstört dastand, keinen Fußbreit mehr vorwärts oder rückwärts zu gehen wagte, legt er die Flinte an. »Ich jag dir Blei rüber, wenn du dich nicht beeilst ... Naher, naher, aber näher doch, erbärmliche Memme, oder ich schieße!«
    Zu Eis erstarrt, bleich, schwankte der Gerichtsvollzieher auf seinen kurzen Beinen. Er flehte mit einem Blick Vater Fouan um Hilfe an.
    Der rauchte gelassen seine Pfeife weiter in seinem wilden Groll gegen die Gerichtskosten und gegen den Mann, der sie in den Augen der Bauern verkörpert.
    »Na, nun machen wir's schließlich richtig, das ist nicht übel. Gib deinen Schrieb her. Nein, nicht mit den Fingerspitzen, als ob's dir leid tut. Höflich, Himmelsakrament! Und so recht von Herzen ... So! Sei hübsch artig.«
    Gelähmt durch das Hohngelächter dieses langen Kerls, wartete Vimeux mit zuckenden Augenlidern auf den Schabernack, den Faustschlag oder die Ohrfeige, die ihm drohten und die er kommen fühlte.
    »Jetzt dreh dich um.«
    Er begriff, rührte sich nicht, kniff die Arschbacken zusammen.
    »Dreh dich um, oder ich dreh dich um!«
    Er sah sehr wohl, daß er sich dreinschicken mußte. Kläglich drehte er sich um, hielt von selber seinen armen kleinen Hintern hin, den Hintern eines mageren

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