Die Erde
der bereits seine Pfeife an der Tür rauchte, begriff und machte sich Sorgen, um so mehr, als es weiterhin sehr ernst um alles stand: man kramte die Tinte und eine alte rostige Feder hervor, der Feldhüter begann seine Sätze zu suchen, sah furchtbar angestrengt dabei aus und spreizte die Ellenbogen ab. Aber gleichzeitig hatte Bangbüx auf ein Wort ihres Vaters hin drei Gläser und eine Literflasche aufgetragen; und schon bei der fünften Zeile nahm Bécu, der erschöpft war und sich in dem verzwickten Bericht über den Vorfall nicht mehr zurechtfand, ein gestrichen volles Glas an. Da entspannte sich allmählich die Lage. Eine zweite Literflasche kam zum Vorschein, dann eine dritte. Zwei Stunden später steckten die drei Männer die Nasen zusammen und redeten ungestüm und freundschaftlich miteinander: sie waren sehr besoffen, sie hatten die Angelegenheit vom Morgen völlig vergessen.
»Verdammter Hahnrei«, rief Jesus Christus, »du weißt, daß ich mit deiner Frau schlafe.«
Das stimmte. Seit dem Fest legte er die Bécu in allen Winkeln um, obwohl er sie gleichzeitig ohne jedes Zartgefühl alte Nutte schimpfte.
Aber Bécu, der im Rausch zänkisch war, wurde böse. Wenn er die Sache in nüchternem Zustand duldete, so kränkte sie ihn, wenn er betrunken war. Er schwenkte eine leere Literflasche, er brüllte:
»Himmelsakrament, du Schwein!«
Die Literflasche zerschmetterte an der Wand, sie verfehlte Jesus Christus, dem der Speichel aus dem Munde lief und der mit einem sanften und ersäuften Lächeln dasaß. Um den Hahnrei zu besänftigen, beschloß man, zusammenzubleiben und den Hasen sofort zu essen. Als Bangbüx einen Hasenpfeffer zubereitete, verbreitete sich, dessen guter Duft bis ans andere Ende von Rognes. Das wurde eine tüchtige Feierei, die den ganzen Tag über dauerte. Als die Nacht hereinbrach, saßen sie noch am Tisch und lutschten die Knochen aus. Zwei Kerzen wurden angezündet, und sie machten weiter. Fouan fand noch drei Zwanzigsousstücke und schickte die Kleine einen Liter Kognak kaufen. Die Leute schliefen bereits im Ort, als die drei immer noch süffelten. Und Jesus Christus, dessen tastende Hand ständig Feuer für seine Pfeife suchte, stieß auf das angefangene Protokoll, das auf einer Ecke des Tisches liegengeblieben war und vom Wein und von der Soße Flecke bekommen hatte.
»Ach, stimmt ja, das muß fertiggeschrieben werden!« stammelte er, während sein Bauch von Lachen, dem Lachen eines Trunkenbolds, geschüttelt wurde. Er betrachtete das Papier, sann auf einen Schabernack, irgend etwas, in das er seine ganze Verachtung für das Geschriebene und für das Gesetz hineinlegen könnte. Jäh hob er den Schenkel, strich mit dem Papier schön über die Fläche, ließ einen darauf fahren, einen dicken und schweren, einen von der Sorte, von denen er zu sagen pflegte, mit ihnen sei der Mörser am Ende. »Nun ist's unterschrieben!«
Alle waren kreuzfidel, sogar Bécu. Ach, man langweilte sich nicht in dieser Nacht auf dem Schloß.
Um diese Zeit gewann Jesus Christus einen Freund. Als er sich eines Abends in einem Graben verkroch, um die Gendarmen vorbeizulassen, fand er auf dessen Grund einen fidelen Burschen vor, der bereits den Platz einnahm und wenig begierig war, gesehen zu werden; und man kam ins Gespräch. Das war ein guter Kerl, Leroi, genannt Kanone, ein Tischlergeselle, der infolge ärgerlicher Geschichten Paris vor zwei Jahren verlassen hatte und der es vorzog, auf dem Lande zu leben, von Dorf zu Dorf strolchte, hier acht Tage abmachte, dort acht Tage, von einem Gehöft zum andern ging, um sich anzubieten, wenn die Meister ihn nicht haben wollten. Nun ging es mit der Arbeit nicht mehr, er bettelte an den Landstraßen, er lebte von gestohlenem Gemüse und Obst, war glücklich, wenn man ihm erlaubte, in einer Strohmiete zu schlafen. Er wirkte wahrhaftig nicht gerade vertrauenerweckend, war zerlumpt, sehr dreckig, sehr häßlich, verwüstet von Elend und Lastern, das Gesicht so mager und so bleich, umstarrt von einem spärlichen struppigen Bart, daß die Frauen die Türen zumachten, wenn sie ihn bloß sahen. Das schlimmste war, daß er gräßliche Reden führte, er sprach davon, den Reichen den Kopf abzuhauen, eines schönen Morgens mit den Weibern und dem Wein der anderen flottzumachen, daß ihm die Schwarte knacken würde: mit düsterer Stimme und geballten Fäusten vom Stapel gelassene Drohungen, in den Pariser Vorstädten gelernte revolutionäre Theorien, soziale Forderungen, die in
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