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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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beiden Männer.
    Entrüstet, angewidert, hatte sich Jesus Christus erhoben, den Arm mit gebieterisch tragischer Gebärde ausgestreckt:
    »Raus mit dir, du Sau! – Raus mit dem Gestank! – Himmelsakrament! Ich werde dir Ehrfurcht vor deinem Vater und deinem Großvater beibringen!«
    Niemals hatte er diese Vertraulichkeit bei ihr geduldet. Dazu mußte man erst das gehörige Alter haben. Und er wedelte mit der Hand die Luft weg und tat, als ersticke er durch diesen kleinen Flötenhauch; seine, so sagte er, röchen nur nach Schießpulver. Als dann die Schuldige, hochrot im Gesicht und verdattert über ihre Vergeßlichkeit, das abstritt und sich sträubte, um nicht hinausgehen zu müssen, warf er sie mit einem Ruck hinaus.
    »Großer Dreckfink, schüttle dir die Röcke aus! – Du kommst erst in einer Stunde wieder rein, wenn du dich ausgelüftet hast.«
    Und von diesem Tage an begann ein sorgenloses und lustiges Leben. Man gab dem Alten die Stube der Tochter, die eine Hälfte des ehemaligen Kellerraumes, der durch eine Bretterwand geteilt worden war; und bereitwillig zog sie sich hinten in eine Felsenhöhle zurück, die gleichsam einen Hinterraum bildete und sich, wie die Sage erzählte, zu unermeßlichen unterirdischen Gewölben auftat, die durch Erdrutsche verschüttet worden waren. Das schlimmste war, daß das Schloß, dieser Fuchsbau, in jedem Winter durch die großen Regenfälle mehr vergraben wurde, weil die rauschenden Wasser das Geröll den steilen Hang des Hügels herunterspülten; sogar das alte Gemäuer, die uralten Grundfesten, die ohne Mörtel vorgenommenen Ausbesserungen wären draufgegangen, wenn nicht die darüber gepflanzten jahrhundertealten Linden alles mit ihren dicken Wurzeln festgehalten hätten. Aber sobald der Frühling kam, war das ein Schlupfwinkel von bezaubernder Frische, eine unter Himbeer und Hagedornsträuchern verschwundene Grotte. Der Heckenrosenbusch, der das Fenster verbarg, schmückte sich mit rosa Blüten wie mit Sternen, die Tür selber hatte ein Gewand aus wildem Geißblatt, das man wie einen Vorhang beiseite schieben mußte, um hereinzukommen.
    Zweifellos hatte Bangbüx nicht alle Tage Feuerbohnen und Kalbfleisch mit Zwiebeln zuzubereiten. Das ereignete sich nur, wenn man dem Alten ein Silberstück entlockt hatte, und wenn Jesus Christus dabei auch keine Bescheidenheit an den Tag legte, so wandte er doch keine Gewalt gegen ihn an, faßte ihn bei der Genäschigkeit und bei den Gefühlen, um ihn auszuplündern. In den ersten Tagen des Monats, sobald der Alte von den Delhommes seine sechzehn Francs Kostgeld bekommen hatte, machte man flott, außerdem gab es jedes Vierteljahr, wenn ihm der Notar seine siebenunddreißig Francs fünfzig Zinsen auszahlte, Feste, bei denen alles kurz und klein gemacht wurde. Zunächst rückte er nur Zehnsousstücke heraus, weil das Geld vorhalten sollte und er starrköpfig war in seinem alten Geiz; aber gekitzelt, gewiegt von ungewöhnlichen Geschichten und mitunter bis zu Tränen vor Lachen geschüttelt, lieferte er sich nach und nach diesem großen Taugenichts, seinem Sohn, so sehr aus, daß er die zwei oder drei Francs fahrenließ, selber der Prasserei verfiel und sich sagte, es sei besser, frohgemut alles aufzuessen, da es früher oder später ja doch aufgegessen würde. Übrigens mußte man Jesus Christus in diesem Punkte Gerechtigkeit widerfahren lassen: er teilte mit dem Alten, er bereitete ihm wenigstens Vergnügen, wenn er ihn auch bestahl. Am Anfang des Monats, wenn er in der Magengrube ein Gefühl der Rührung verspürte, drückte er wegen des Schatzes die Augen zu, trachtete nicht, etwas zu erfahren: seinem Vater stand es frei, sich zu erfreuen, wie es ihm behagte, man konnte nicht mehr von ihm verlangen, da er ja doch das Flottmachen bezahlte. Und Träumereien über das flüchtig geschaute, irgendwo versteckte Geld kamen ihm erst in der zweiten Hälfte des Monats, wenn die Taschen des Alten leer waren. Kein Liard mehr rausholen! Er schimpfte auf Bangbüx, die Kartoffelmus ohne Butter auftrug, er schnallte sich den Gürtel enger und dachte, daß es alles in allem doch dumm sei, sich Entbehrungen aufzuerlegen, nur um Sousstücke verbuddeln zu können, und daß eines Tages dieser Schatz schließlich ausgegraben und durchgebracht werden müßte.
    Trotz alledem ging er an jenen Elendsabenden, wenn er seine Glieder, die Glieder einer großen Mähre, rekelte, gegen den Verdruß an, blieb er mitteilsam und stürmisch, als habe er gut zu Abend

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