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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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flammenden Sätzen dahinströmten, deren Schwall die Bauern verdutzte und in Entsetzen stürzte. Seit zwei Jahren sahen ihn die Leute auf den Gehöften bei Einbruch der Dunkelkeit so ankommen, um eine Ecke mit Stroh bitten, um sich schlafen zu legen; er setzte sich ans Feuer, er ließ ihnen allen das Blut in den Adern gefrieren mit den schrecklichen Worten, die er sagte. Am nächsten Morgen verschwand er dann, um acht Tage später zur gleichen traurigen Stunde der Abenddämmerung wieder aufzutauchen, mit denselben Prophezeiungen von Untergang und Tod. Und deshalb wies man ihn hinfort überall ab, soviel Grauen und Zorn ließ die Erscheinung dieses anrüchigen, die Fluren durchstreifenden Mannes hinter sich zurück.
    Jesus Christus und Kanone hatten sich sofort verstanden.
    »Ach! Himmelsakrament!« schrie Jesus Christus. »Wie falsch war es doch von mir im Jahre achtundvierzig,61 nicht alle in Cloyes abzuschlachten! – Los, Alter, müssen einen Liter trinken!«
    Er nahm ihn mit aufs Schloß, er ließ ihn abends bei sich schlafen; je mehr Kanone redete, desto mehr wurde Jesus Christus von Ehrerbietung erfaßt, so sehr fühlte er des anderen Überlegenheit, weil der Dinge wußte und Ideen hatte, wie mit einem Streich die Gesellschaft neugestaltet werden könnte. Am übernächsten Tage ging Kanone auf und davon! Zwei Wochen später kam er wieder, brach im Morgengrauen wieder auf. Und von da an schneite er dann und wann auf dem Schloß herein, aß, schnarchte wie bei sich zu Hause, schwor bei jedem Auftauchen, daß die Bourgeois vor Ablauf von drei Monaten weggeputzt sein würden. Eines Nachts wollte er, als der Vater auf Anstand saß, die Tochter umlegen, aber entrüstet und rot vor Scham, kratzte ihn Bangbüx mit ihren Krallen und biß ihn so tief, daß er sie loslassen mußte. Für was für eine hielt er sie denn, dieser Alte da? Er schalt sie eine dumme Trine.
    Auch Fouan liebte Kanone nicht gerade, dem er vorwarf, ein Faulpelz zu sein und Dinge zu wollen, mit denen man auf dem Schafott endete. Wenn dieser Schurke da war, wurde der Alte ganz traurig darüber, so daß er lieber seine Pfeife draußen rauchte. Übrigens nahm das Leben für ihn von neuem eine Wendung zum Schlimmen, er zechte nicht mehr so gern bei seinem Sohn, seit eine ganz ärgerliche Geschichte sie entzweit hatte. Bisher hatte Jesus Christus die ihm durch das Los zugefallenen Äcker, Fleckchen um Fleckchen, nur an seinen Bruder Geierkopf und an seinen Schwager Delhomme verkauft; und jedesmal hatte Fouan, dessen Unterschrift dazu erforderlich war, sie gegeben, ohne irgend etwas zu sagen, da ja der Besitz in der Familie blieb. Nun ging es aber da um ein letztes Feld, auf das der Wilderer ein Darlehen aufgenommen hatte, ein Feld, das der Gläubiger versteigern lassen wollte, weil er nicht einen Sou von den vereinbarten Zinsen bekam. Herr Baillehache, der zu Rate gezogen wurde, hatte gesagt, daß man es selber verkaufen müsse, und zwar sofort, wenn man nicht von den Unkosten aufgefressen werden wolle. Das Unglück war, daß Geierkopf und Delhomme ablehnten, es zu kaufen, weil sie wütend darüber waren, daß der Vater sich bei seinem Ältesten, diesem großen Strolch, die Haut vom Leibe ziehen ließ, und sie fest entschlossen waren, sich mit nichts zu befassen, solange er dort lebte. Und das Feld sollte von Gerichts wegen verkauft werden, das Verfahren nahm seinen Gang, das war das erste Stück Erde, das aus der Familie hinausging. Der Alte konnte deshalb nicht mehr schlafen. Diese Erde, nach der sein Vater, sein Großvater so sehr gegiert und die sie so hart erworben hatten! Diese Erde, die man besessen und eifersüchtig bewacht hatte wie eine Frau, die einem gehört! Zu sehen, wie sie so in den Prozessen zerbröckelte, sich entwürdigte, zur Hälfte ihres Wertes in die Arme eines andern, eines Nachbarn überging! Er zitterte dabei vor Wut, das versetzte ihm einen solchen Stich ins Herz, daß er darüber schluchzte wie ein Kind. Ach, dieses Schwein, der Jesus Christus!
    Es kam zu furchtbaren Auftritten zwischen Vater und Sohn. Der Sohn antwortete nicht, ließ den Vater, der tragisch dastand und seinen Kummer herausbrüllte, sich in Vorwürfen und Gejammer erschöpfen.
    »Ja, du bist ein Mörder, das ist so, als ob du ein Messer nimmst, siehst du, und mir ein Stück Fleisch rausschneidest ... Ein so gutes Feld, wie es kein besseres gibt! Ein Feld, auf dem alles wächst, wenn man bloß drüberpustet! – Du mußt schon ein Faulpelz und ein Schlappschwanz

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