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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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auf.
    »Was? Bist du eifersüchtig? Und wenn ich eine Woche den Vater hätte und eine du, würde das nicht in der Natur der Sache liegen? He? Wie wär's, wenn Ihr Euch in zwei Teile teilt, Vater? – Auf Euer Wohl, bis dahin!«
    Als er fortging, lud er sie ein, am nächsten Tage in seinem Weinberg Weinlese zu halten. Man würde sich mit Weintrauben vollstopfen, soviel die Schwarte fassen kann. Schließlich wurde er so aufgeräumt, daß die beiden anderen fanden, er sei zwar ein toller Schurke, aber spaßig, vorausgesetzt, daß man sich nicht von ihm reinlegen ließ. Sie begleiteten ihn zum Vergnügen ein Stück Weges.
    Gerade unten am Hang trafen sie Herrn und Frau Charles, die mit Elodie nach einem Spaziergang am Aigre auf ihr Besitztum Roseblanche heimkehrten. Alle drei trugen Trauer um Frau Estelle, wie man die Mutter der Kleinen nannte, die im Juli gestorben war, und zwar vor Schufterei gestorben, denn jedesmal, wenn die Großmutter aus Chartres zurückgekommen war, hatte sie es schon gesagt, daß sich ihre arme Tochter zu Tode arbeitete, so sehr plagte sie sich ab, um den guten Ruf des Etablissements in der Rue aux Juifs aufrechtzuerhalten, um das sich der Faulpelz, ihr Mann, immer weniger kümmerte. Und was für eine Aufregung war für Herrn Charles die Beerdigung, zu der Elodie mitzunehmen er nicht gewagt hatte, man hatte sich erst entschlossen, ihr die Nachricht beizubringen, als ihre Mutter schon drei Tage in der Erde schlief! Wie krampfte sich ihm das Herz an dem Morgen zusammen, als er nach Jahren die Nr. 19 an der Ecke der Rue de la PlancheauxCarpes wiedersah, diese gelb bepinselte Nr. 19 mit ihren stets geschlossenen grünen Fensterläden, kurzum sein Lebenswerk; heute war das Haus mit schwarzen Behängen ausgeschlagen, die kleine Tür war offen, der Gang war versperrt durch den Sarg, der zwischen vier Kerzen stand! Was ihn rührte, war die Art, wie das Stadtviertel Anteil nahm an seinem Schmerz. Die Zeremonie verlief wirklich sehr gut. Als man den Sarg aus dem Gang herausbrachte und er auf dem Bürgersteig erschien, bekreuzigten sich alle Nachbarn. Ringsum herrschte Andächtigkeit, als man sich zur Kirche begab. Die fünf Frauen des Hauses waren da in dunklen Kleidern, sahen tadellos aus, wie es in einer Bemerkung darüber hieß, die am Abend in Chartres die Runde machte. Und eine von ihnen weinte sogar auf dem Friedhof. Kurzum, von dieser Seite widerfuhr Herrn Charles Hur Erfreuliches. Aber wie litt er am nächsten Tage, als er seinem Schwiegersohn Hector Vaucogne ein paar Fragen stellte und das Haus besichtigte! Es hatte bereits von seinem Glanz verloren; an allen möglichen Freiheiten, die man sich herausnahm und die er zu seiner Zeit niemals geduldet hätte, spürte man, daß dort die Faust eines Mannes fehlte. Er stellte jedoch mit Freude fest, daß die gute Haltung der fünf Frauen im Trauerzug sie so vorteilhaft in der Stadt bekannt gemacht hatte, daß das Haus in der Woche darauf nicht leer wurde. Als er, den Kopf von Sorgen zermartert, die Nr. 19 verließ, verhehlte er seinen Eindruck Hector keineswegs: nun, da die arme Estelle nicht mehr da war, um das Schiff zu steuern, war es an ihm, sich zu bessern, ernstlich mit zuzugreifen, wenn er nicht das Vermögen seiner Tochter durchbringen wollte.
    Sofort bat Geierkopf sie alle drei, doch auch zur Weinlese zu kommen.
    »Und das tun wir nur, um der armen Kleinen Abwechslung zu verschaffen«, erklärte Frau Charles. »Sie hat hier so wenig Unterhaltung, seit wir sie aus dem Pensionat zurückgeholt haben! Was soll man da machen? Sie kann nicht immer in der Schule bleiben.«
    Elodie hörte zu, hatte die Augen niedergeschlagen, und ihre Wangen waren ohne jeden Grund von Röte überzogen. Sie war sehr lang, sehr dünn geworden, weiß wie eine Lilie, die im Schatten dahinkümmert.
    »Was wollt ihr denn mit diesem langen jungen Ding da machen?« fragte Geierkopf.
    Sie errötete noch mehr, während ihre Großmutter antwortete:
    »Nun ja, wir wissen nicht recht ... Sie wird mit sich zu Rate gehen, wir lassen ihr volle Freiheit.«
    Aber Fouan, der Herrn Charles beiseite genommen hatte, fragte ihn mit interessierter Miene:
    »Geht's, das Geschäft?«
    Herr Charles machte ein untröstliches Gesicht und zuckte die Achseln.
    »Ach was! Ich habe gerade heute früh jemand aus Chartres gesprochen. Deswegen sind wir ja so verärgert ... Das Haus ist hin. Man prügelt sich in den Korridoren, man bezahlt nicht einmal mehr, so schlecht ist es um die Aufsicht bestellt!«

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