Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
bezeigten ihm aber große Achtung. Allein Lengaigne erhob Einspruch gegen die Abstimmung, die den Ort den Jesuiten63 auslieferte. Bécu schimpfte auch, weil er aus dem Pfarrhaus und dem Garten ausquartiert und nun in einem verfallenen Gemäuer untergebracht worden war. Einen Monat lang besserten Arbeiter den Verputz aus, setzten wieder Scheiben ein, wechselten die verwitterten Dachschiefer aus; und so hatte sich schließlich am Abend zuvor ein Pfarrer in dem neu getünchten Häuschen niederlassen können.
    Schon im Morgengrauen brachen die Wagen zum Hang auf, jeder beladen mit vier oder fünf großen Fässern, die an einem Ende eingeschlagen waren, den Gueulebées64, wie man sie nennt. Frauen und Mädchen saßen mit ihren Körben in den Wagen, während die Männer zu Fuß gingen und auf die Tiere einpeitschten. In einem langen Zug fuhren sie hintereinander dahin, und unter Geschrei und Gelächter schwatzte man von Wagen zu Wagen.
    Lengaignes Wagen fuhr ausgerechnet hinter Macquerons Wagen, so daß sich Flore und Cœlina, die seit sechs Monaten nicht mehr miteinander sprachen, dank dieses Umstandes wieder aussöhnten. Flore hatte die Bécu bei sich, Cœlina ihre Tochter Berthe. Sofort war die Rede auf den Pfarrer gekommen. Die Satze, zu denen der Schritt der Pferde den Takt angab, flogen in vollem Schwunge in der frischen Morgenluft hin und her.
    »Ich, ich habe ihn gesehen, wie er half, als man seinen Koffer runternahm.«
    »Ach! – Wie ist er denn?«
    »Ach je! Es war stockfinster ... Er ist mir ganz lang, ganz dünn vorgekommen, mit einem Gesicht, als ob das Fasten bei ihm kein Ende mehr nimmt, und keine große Leuchte ... Vielleicht dreißig Jahre. Sehr sanft sah er aus.«
    »Und nach dem, was so erzählt wird, kommt er von den Auvergnaten65 her, aus den Bergen, wo man während zwei Dritteln des Jahres unterm Schnee begraben ist.«
    »Was für ein Elend! So einer wird sich bei uns schon wohlfühlen!«
    »Klar! – Und du weißt, daß er Madeleine heißt.«
    »Nein, Madeline.«
    »Madeline, Madeleine, es ist immerhin kein Männername.«
    »Vielleicht wird er uns in den Weinbergen besuchen, Macqueron hat versprochen, daß er ihn hinbringt.«
    »Ach, du meine Güte! Da müssen wir achtgeben, daß wir ihn nicht verpassen!«
    Die Wagen hielten unten am Hange auf dem Weg, der dem Aigre folgte. Und in jedem kleinen Weinberg waren die Frauen zwischen den Reihen der Rebpfähle bei der Arbeit, schritten tief gebückt, die Arschbacken hochgereckt, und schnitten mit der Hippe die Trauben ab, mit denen sich ihre Körbe füllten. Was die Männer betraf, so hatten sie genug damit zu tun, die Körbe in die Tragbütten zu entleeren und hinunterzugehen, um die Tragbütten in die Gueulebées zu entleeren. Sobald alle Gueulebées eines Wagens voll waren, wurden sie abgefahren, um in die Bottiche ausgeladen zu werden, und kamen dann zurück zum Beladen.
    An diesem Morgen war so viel Tau gefallen, daß die Kleider sofort durchnäßt waren. Glücklicherweise war prachtvolles Wetter, und die Sonne trocknete die Sachen. Seit drei Wochen hatte es nicht geregnet; die Trauben, auf die man wegen des feuchten Sommers bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, waren jäh reif und zuckerig geworden; und deshalb stimmte dieser schöne Sonnenschein, der zu heiß war für die Jahreszeit, sie alle heiter, man feixte, grölte, ließ Schweinereien vom Stapel, bei denen sich die Mädchen vor Lachen kugelten.
    »Diese Cœlina!« sagte Flore zur Bécu, während sie sich aufrichtete und Macquerons Frau in der Nachbarpflanzung betrachtete. »Die war so stolz auf ihre Tochter Berthe, weil sie einen Teint wie ein vornehmes Fräulein hatte! – Da welkt nun die Kleine hin und vertrocknet gewaltig.«
    »Freilich!« erklärte die Bécu. »Wenn die Mädchen nicht geheiratet werden! Es ist ein großer Fehler von Macquerons, sie nicht dem Sohn des Stellmachers zu geben ... Und übrigens tötet sie sich, nach dem, was so erzählt wird, mit ihren schlechten Gewohnheiten noch die Natur ab.« Schon ganz kreuzlahm, fing sie wieder an, die Trauben zu schneiden. Mit dem Hintern wackelnd, sagte sie dann: »Demungeachtet scharwenzelt der Schulmeister weiter um sie herum.«
    »Wahrhaftig!« rief Flore. »Dieser Lequeu, der würde die Sous mit seiner Nase im Pferdemist auflesen. Ausgerechnet! Da kommt er gerade, um ihnen zu helfen. Ein reizender Vogel!«
    Aber beide verstummten. Victor, der seit kaum vierzehn Tagen vom Militär zurück war, nahm ihre Körbe und entleerte sie in

Weitere Kostenlose Bücher