Die Erde
witterte, daß Vater Fouan als erster sterben werde: er hatte das Gefühl, daß der Vater todsicher nicht wieder aufstehen würde, wenn man ihm einen Nasenstüber versetzte.
Ein Jahr verstrich, und obwohl es mit Fouan jeden Tag mehr bergab ging, hielt er trotzdem weiter aus. Er war nicht mehr der reinliche alte Bauer, mit seiner gutrasierten Schwarte, seinen untadeligen Hasenpfoten, der neue Kittel und schwarze Hosen trug. In seinem schmaler gewordenen, abgezehrten Gesicht blieb nur seine große knochige Nase, die sich der Erde entgegenstreckte. Er war jedes Jahr ein bißchen krummer geworden, und tief gebeugt ging er nun dahin, brauchte bald nur noch endgültig umzukippen, um in die Grube zu fallen. Er schleppte sich an zwei Stöcken fort, war überwuchert von einem langen und dreckigen weißen Bart, trug die zerlöcherten Kleidungsstücke seines Sohnes ab, war so schlecht gepflegt, daß er dadurch abstoßend wirkte in der Sonne, so wie jene alten zerlumpten Landstreicher, denen man aus dem Wege geht. Und auf dem Grunde dieser Verkommenheit hatte allein das Tier, das Menschenvieh noch Bestand, war unbeeinträchtigt in seinem Lebenstrieb. Freßgier brachte ihn dazu, sich auf seine Suppe zu stürzen, er war niemals befriedigt und stahl sogar Jules die Stullen, wenn der Kleine sie nicht verteidigte. Deshalb gab man ihm weniger zu essen, man machte sich das sogar zunutze, um ihn unter dem Vorwand, daß er platzen würde, nicht mehr ausreichend zu ernähren. Geierkopf beschuldigte ihn, er sei auf dem Schloß in der Gesellschaft von Jesus Christus versumpft, was ja auch stimmte, denn dieser genügsame alte Bauer, der einst hart mit seinem Körper verfuhr und von Brot und Wasser lebte, hatte sich dort an Fressereien gewöhnt, Geschmack gefunden an Fleisch und Schnaps, so schnell stecken die Laster an, seihst wenn ein Sohn seinen Vater zum Lotterleben verleitet. Lise hatte den Wein wegschließen müssen, als sie merkte, wie er verschwand. An den Tagen, da man einen Gemüsetopf aufsetzte, stand die kleine Laure dabei Wache. Nachdem der Alte bei Lengaigne eine Tasse Kaffee hatte anschreiben lassen, wurden Lengaigne und Macqueron davon in Kenntnis gesetzt, daß man ihnen nichts bezahlen würde, wenn sie ihn auf Pump Zechen machen ließen. Fouan wahrte stets sein großes tragisches Schweigen, aber mitunter, wenn sein Napf nicht voll war, wenn man den Wein wegnahm, ohne ihm seinen Teil zu geben, starrte er mit erbosten Augen in der ohnmächtigen Raserei seiner Eßlust lange auf Geierkopf.
»Ja, ja, seht mich nur an«, sagte Geierkopf. »Wenn Ihr glaubt, ich füttere Tiere, die überhaupt nichts leisten! Wenn man gern Fleisch mag, muß man es sich verdienen, alter Vielfraß! – He? Schämt Ihr Euch denn nicht, daß Ihr in Eurem Alter so dem Lotterleben verfallen seid!«
Fouan war aus starrköpfigem Stolz nicht zu den Delhommes zurückgekehrt, weil er tief verbittert war über die Bemerkung, die seine Tochter einst gemacht hatte, und es kam mit ihm dahin, daß er von Geierkopfs alles erduldete, die bösen Worte, sogar die Anrempeleien. Er dachte nicht mehr an seine anderen Kinder; er gab sich dort völlig auf, verfiel in eine solche Schlappheit, daß der Gedanke, sich da herauszuhelfen, ihm überhaupt nicht kam: das würde woanders nicht besser gehen, wozu also? Wenn Fanny ihm begegnete, ging sie starr und steif vorüber, weil sie geschworen hatte, ihn niemals wieder zuerst anzusprechen. Nachdem Jesus Christus, der gutmütiger war, ihm erst die schäbige Art und Weise nachgetragen hatte, in der er vom Schloß weggegangen war, hatte er sich dann eines Abends den Spaß erlaubt, ihn bei Lengaigne gräßlich betrunken zu machen und ihn so bis vor seine Tür zurückzubringen: das gab eine furchtbare Geschichte, das Haus war in heller Aufregung, Lise mußte die Küche scheuern, Geierkopf schwor, ein anderes Mal würde er ihn auf dem Misthaufen schlafen lassen, so daß sich der Alte, der furchtsam geworden war, nun vor seinem Ältesten so sehr vorsah, daß er den Mut aufbrachte, die Gläschen auszuschlagen, die man ihm hie und da anbot. Oft sah er auch Bangbüx mit ihren Gänsen, wenn er sich draußen an einem Wegrand hinsetzte. Sie blieb stehen, durchwühlte ihn mit ihren schmalen Augen, schwatzte eine Weile, während ihre Tiere, auf einer Pfote stehend, den Hals vorgestreckt, hinter ihr auf sie warteten. Aber eines Morgens stellte er fest, daß sie ihm sein Taschentuch gestohlen hatte; und von da an fuchtelte er, sobald er sie von
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