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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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eifersüchtig zu sein, wenn sie ihn mit dem Großvater zusammen sah. Er ödete sie an, dieser Alte! Es machte mehr Spaß, zusammen zu spielen. Und wenn ihr Bruder ihr nicht folgte, hing sie sich an seine Schultern, nahm ihn mit. Dann tat sie so nett, daß er darüber vergaß, wie eine gutwillige Hausfrau dem Großvater zu helfen. Nach und nach fesselte sie ihn ganz an sich, wie eine richtige Frau bereits, die sich diese Eroberung vorgenommen hat.
    Eines Abends war Fouan vor die Schule gegangen, um auf Jules zu warten, weil er so müde war, daß er an seinen Enkel gedacht hatte, um mit ihm den Abhang wieder hinaufzugehen. Aber Laure kam mit ihrem Bruder heraus; und als der Alte mit seiner zitternden Hand die Hand des Kleinen suchte, lachte sie böse:
    »Da ist er schon wieder und ödet dich an, laß ihn doch los!« Sich zu den anderen Bengeln umdrehend, rief sie dann: »Na, ist der aber ein Dämlack, daß er sich so anöden läßt!«
    Da wurde Jules inmitten des Gejohles rot, wollte sich als Mann aufspielen, entschlüpfte mit einem Sprung und schrie dabei seinem alten Gefährten das Wort zu, das seine Schwester gesagt hatte:
    »Du ödest mich an!«
    Verstört, die Augen von Tränen umdüstert, strauchelte Fouan, als entgleite ihm mit dieser kleinen Hand, die sich von ihm zurückzog, die Erde unter den Füßen.
    Das Gelächter wurde stärker, und Laure zwang Jules, um den Greis herumzutanzen und nach der Melodie eines Kinderliedes zu singen:
    »Fällt er in den Graben ... fressen ihn die Raben ...«
    Fouan, der beinahe ohnmächtig wurde, brauchte fast zwei Stunden, um allein heimzugehen, so sehr schleppte er seine kraftlosen Füße nach. Und das war das Ende, der Junge hörte auf, ihm die Suppe zu bringen und ihm das Bett zu machen, dessen Strohsack kein einziges Mal im Monat umgedreht wurde. Er hatte nicht einmal mehr diesen kleinen Jungen, mit dem er reden konnte, er versank in völliges Schweigen, seine Einsamkeit war weiter geworden, war vollständig. Niemals ein Wort, über nichts, zu niemandem.
     

Kapitel III
    Die Winterbestellungen gingen zu Ende, und an diesem düsteren und kalten Februarnachmittag war Jean soeben mit dem Pflug auf seinem großen Ackerschlag Les Cornailles angelangt, wo er noch zwei gute Stunden zu schuften hatte. Auf dem einen Ende des Ackerschlages wollte er Getreide säen, ein Hühnerfuttergemenge, ein Versuch, zu dem ihm Hourdequin, sein früherer Herr, geraten und sogar einige Doppelzentner Samen zur Verfügung gestellt hatte.
    Sofort pflügte Jean an der Stelle an, wo er am Abend zuvor ausgepflügt hatte; und die Hände an den Pflugsterzen, ließ er die Pflugschar zubeißen und trieb sein Pferd mit einem rauhen »Hü, hott!« an.
    Prasselnde Regenfälle nach prallem Sonnenschein hatten den Tonmergel bis so tief in den Boden hinein hart werden lassen, daß die Pflugschar und das Messersech mit Mühe den Streifen ablösten, den sie bei diesem Pflügen mit dem ganzen Eisen abschälten. Man hörte, wie die dicke Scholle am Streichbrett knirschte, das sie umdrehte und dabei den Mist, der in einer ausgebreiteten Schicht das Feld bedeckte, tief eingrub. Mitunter gab es bei einem Hindernis, einem Stein, einen Ruck.
    »Hü, hott!«
    Und Jean, der seine Arme ausgestreckt hielt, achtete darauf, daß die Furche tadellos gerade verlief, so gerade, daß man gemeint hätte, sie sei mit der Schnur gezogen, während sein Pferd, das den Kopf senkte und mit den Hufen in der Furche einsank, in gleichmäßigem und stetigem Gang zog. Als der Pflug verkleisterte, schüttelte Jean den Dreck und das Gras ab, indem er mit beiden Fäusten kurz ruckte; dann glitt der Pflug wieder weiter und ließ die aufgewühlte, fette, bewegliche und gleichsam lebende Erde hinter sich zurück, deren Eingeweide bloßgelegt waren.
    Wenn er am Ende der Furche war, drehte er um, begann eine neue. Bald kam eine Art Rausch über ihn bei all dieser umgegrabenen Erde, die einen kräftigen Geruch ausströmte, den Geruch feuchter Stellen, in denen der Same gärt. Sein schwerer Gang und die Starre seines Blickes machten ihn vollends benommen. Niemals würde er ein richtiger Bauer werden. Er war nicht geboren in diesem Boden, er blieb der ehemalige Arbeiter aus den Städten, der Kommißhengst, der den Feldzug in Italien70 mitgemacht hatte; und was die Bauern nicht sahen, nicht fühlten, das sah er, das fühlte er: den großen, traurigen Frieden der Ebene, den gewaltigen Atem der Erde bei Sonne und bei Regen. Immer hatte er sich ausgemalt,

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