Die Erde
denn geschehen?«
Da sprach Françoise mit langsamer Stimme:
»Ich bin Grünfutter machen gegangen ... Ich bin in meine Sense gefallen ... Ach! Es ist aus!« Ihr Blick hatte Fouans gesucht, sie sagte ihm, ihm allein, alles andere, alles das, was nur die Familie wissen mußte.
Trotz seiner Verstörtheit schien der Alte zu begreifen und sagte immer wieder:
»Das stimmt schon, sie ist gefallen, sie hat sich verletzt ... Ich war da, ich hab's gesehen.«
Jean mußte nach Rognes rennen, um eine Bahre zu holen. Unterwegs wurde sie wiederum ohnmächtig. Man glaubte schon, daß man sie nicht lebend heimbringen werde.
Kapitel IV
Gerade am nächsten Tage, einem Sonntag, gingen die Burschen von Rognes nach Cloyes zum Auslosen73; und als die Große und die Frimat, die herbeigeeilt waren, Françoise bei hereinbrechender Nacht unendlich behutsam entkleideten und dann ins Bett legten, dröhnte unten auf der Landstraße Trommelwirbel, ein wahres Totengeläut für die armen Leute, hinten in der traurigen Dämmerung.
Jean, der ganz den Kopf verloren hatte, ging Doktor Finet holen, da begegnete er in der Nähe der Kirche Patoir, dem Tierarzt, der wegen Vater Saucisses Pferd gekommen war. Mit aller Gewalt nötigte er ihn, hereinzukommen und sich die Verletzte anzusehen, obwohl der andere sich dagegen sträubte. Aber angesichts der gräßlichen Wunde, lehnte der es rundweg ab, sich damit zu befassen. Wozu auch? Hier war nichts zu machen.
Als Jean zwei Stunden später Herrn Finet anbrachte, machte dieser dieselbe Gebärde. Nichts zu machen, Betäubungsmittel, die im Todeskampf Linderung verschaffen würden. Daß Françoise im fünften Monat schwanger war, komplizierte den Fall, man fühlte, wie sich das Kind bewegte, das am Tode der Mutter starb, an der Wunde, die diesem Schoß, nun, da er fruchtbar war, geschlagen wurde. Obwohl der Doktor am nächsten Tage wiederzukommen versprach, erklärte er, bevor er wegging und nachdem er es mit einem Verband versucht hatte, daß die arme Frau die Nacht nicht überstehen werde.
Und sie überstand sie doch, sie war noch am Leben, als gegen neun Uhr das Trommeln wieder einsetzte, damit sich die Wehrpflichtigen vor der Schule versammelten.
Die ganze Nacht hindurch war der Himmel in Wasser zerflossen, eine wahre Sintflut, auf deren Rauschen Jean gelauscht hatte, der verstört, die Augen voller großer Tränen, hinten in der Stube saß. Nun hörte er das gleichsam durch einen Trauerschleier gedämpfte Trommeln in dem feuchten und lauen Vormittag. Es fiel kein Regen mehr, der Himmel war bleigrau geblieben.
Lange dröhnte das Trommeln. Das war ein neuer Trommler, ein Neffe von Macqueron, der vom Militärdienst zurück war und der drauflosschlug, als habe er ein Regiment ins Feuer zu fuhren. Ganz Rognes wurde dadurch in Aufruhr versetzt, denn die seit einigen Tagen umlaufenden Neuigkeiten, die Drohung eines nahe bevorstehenden Krieges, verschlimmerten in diesem Jahr die stets so heftige Aufregung um die Auslosung noch. Na, danke schön! Sich von den Preußen den Schädel einschlagen zu lassen! Neun Burschen aus dem Ort mußten zur Auslosung, was vielleicht noch niemals vorgekommen war. Und unter ihnen befanden sich Nénesse und Delphin, die einst Unzertrennlichen, die heute, da der erstere in Chartres bei einem Gastwirt in Stellung war, getrennt waren. Als Nénesse am Vortage gekommen war, um auf dem Hof seiner Eltern zu übernachten, hatte ihn Delphin kaum wiedererkannt, so sehr hatte er sich verändert: ein richtiger feiner Herr, mit einem Spazierstock, einem Seidenhut, einer himmelblauen, in einen Ring gezwängten Krawatte; und er ließ sich von einem Schneider einkleiden, er machte Witze über die Anzüge von Lambourdieu. Der andere hingegen war dicker geworden mit seinen ungelenken Gliedern, seinem von der Sonne geschmorten Kopf, war kräftig gewachsen, so wie eine Pflanze aus dem Boden. Sofort hatten sie übrigens die alte Freundschaft neu geknüpft. Nachdem sie einen Teil der Nacht zusammen verbracht hatten, kamen sie Arm in Arm vor der Schule an beim Sammelsignal der Trommel, die nicht aufhörte mit ihrem hartnäckigen quälenden Wirbeln.
Eltern standen herum. Delhomme und Fanny, die sich durch Nénesses Vornehmheit geschmeichelt fühlten, hatten sehen wollen, wie er fortging; und sie waren übrigens ohne Furcht, da sie ihn ja versichert hatten. Bécu, der sein Feldhüterschild blankgeputzt hatte, sagte, er werde die Bécu gleich ohrfeigen, weil sie weinte: Was denn? War denn Delphin
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