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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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nicht tauglich für den Dienst am Vaterland? Der Bursche, der schere sich sicher den Teufel drum, ob er eine gute Nummer anbringe.
    Als die Neun versammelt waren, was eine reichliche Stunde dauerte, übergab ihnen Lequeu die Fahne. Man stritt darum, wem die Ehre zukommen sollte, sie zu tragen. Gewöhnlich tat das der Größte, der Kräftigste, so daß man sich schließlich auf Delphin einigte.
    Er schien ganz verstört darüber zu sein, weil er trotz seiner großen Fäuste im Grunde schüchtern war und weil all dies, woran er nicht gewöhnt war, ihn beunruhigte. Da hielt er nun einen langen Apparat in den Armen, der ihm hinderlich war! Und wenn der ihm bloß kein Pech brachte!
    An beiden Ecken der Straße fegten Flore und Cœlina in der Gaststube ihrer Schenken für den Abend ein letztes Mal kurz aus. Macqueron sah von der Schwelle seiner Tür aus mit düsterer Miene zu; da erschien Lengaigne grinsend auf seiner Schwelle. Man muß schon sagen, daß er frohlockte; denn die Schnüffler von der Steuerverwaltung hatten vorgestern vier Fässer Wein beschlagnahmt, die in einem Holzstoß seines Rivalen versteckt gewesen waren, und dieser verflixte Vorfall zwang Macqueron, seinen Rücktritt als Bürgermeister einzureichen; und niemand zweifelte daran, daß der Brief mit der Anzeige, der keine Unterschrift trug, sicher von Lengaigne stammte. Um das Unglück vollzumachen, tobte Macqueron noch über eine andere Geschichte: seine Tochter Berthe hatte sich mit dem Sohn des Stellmachers, dem er sie verweigerte, dermaßen bloßgestellt, daß er endlich hatte einwilligen müssen, sie ihm zu geben. Seit acht Tagen redeten die Frauen am Brunnen nur noch von der Heirat der Tochter und dem Prozeß des Vaters. Eine Geldstrafe stand fest, vielleicht würde er auch Gefängnis kriegen. Deshalb zog Macqueron es angesichts des beleidigenden Lachens seines Nachbarn vor, wieder hineinzugehen, es war ihm peinlich, daß die Leute ebenfalls zu lachen begannen.
    Aber Delphin hatte die Fahne gepackt, der Trommler fing wieder an zu trommeln; und Nénesse nahm Tritt auf, die sieben anderen folgten. Das ergab eine kleine Marschkolonne, die auf der ebenen Landstraße von dannen zog. Bengel rannten nebenher, ein paar Eltern, die Delhommes, Bécu und andere, gingen bis zum Ende des Dorfes mit. Die Bécu, die ihren Mann los war, ging schleunigst nach oben und schlich heimlich in die Kirche; als sie dann sah, daß sie dort allein war, sank sie, die keineswegs fromm war, weinend in die Knie und flehte den lieben Gott an, für ihren Sohn eine gute Nummer aufzuheben. Mehr als eine Stunde lang stammelte sie dieses glühende Gebet. In der Ferne war in Richtung Cloyes die Silhouette der Fahne nach und nach verschwunden, die Trommelwirbel hatten sich schließlich in der freien Luft verloren.
    Erst gegen sechs Uhr ließ sich Doktor Finet wieder blicken, und er schien sehr überrascht, Françoise noch lebend anzutreffen, denn er glaubte wohl, er brauche nur noch die Bestattungserlaubnis auszustellen. Er untersuchte die Wunde, schüttelte den Kopf, machte sich Gedanken über die Geschichte, die man ihm erzählt hatte, und hegte übrigens keinerlei Verdacht. Man mußte ihm die Geschichte noch einmal erzählen: Wie zum Teufel war die Unglückliche so auf die Spitze einer Sense gefallen? Aufgebracht über diese Ungeschicklichkeit und verärgert darüber, daß er wegen des Totenscheins noch einmal wiederkommen mußte, ging er fort.
    Aber Jean blieb argwöhnisch und hatte die Augen auf Françoise gerichtet, die stumm die Lider schloß, sobald sie spürte, daß der Blick ihres Mannes sie befragte. Er ahnte eine Lüge, irgend etwas, das sie ihm verheimlichte. Gleich im Morgengrauen hatte er sich einen Augenblick davongestohlen, war zum Luzerneschlag da oben gerannt, weil er nachsehen wollte; und er hatte nichts Deutliches gesehen, von der Sintflut in der Nacht verwischte Fußspuren, eine zertrampelte Stelle, zweifellos dort, wo sie hingefallen war.
    Nachdem der Arzt fortgegangen war, setzte sich Jean wieder zu der Sterbenden ans Bett; er war nämlich gerade mit ihr allein, weil die Frimat Mittagessen gegangen war und die Große fortgemußt hatte, um bei sich zu Hause kurz nach dem Rechten zu sehen.
    »Du hast Schmerzen, sag?«
    Françoise preßte die Lider fest zu, sie antwortete nicht.
    »Sag, du verheimlichst mir doch nichts?«
    Man hätte sie ohne den leisen, mühsamen Atemhauch ihres Busens bereits für tot gehalten. Seit dem Abend zuvor lag sie auf dem Rücken, wie mit

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