Die Erde
seine arme tote Frau hörte auf, ihm zu gehören, und zwar so sehr, daß ihn Fanny, als er die Absicht äußerte, an der Leiche Nachtwache zu halten, hatte wegschicken wollen unter dem Vorwand, es seien bereits zu viele Leute da. Er hatte jedoch darauf bestanden, er war sogar auf den Gedanken gekommen, das Geld aus der Kommode zu nehmen, die hundertsiebenundzwanzig Francs, um sicher zu sein, daß sie sich nicht verflüchtigten. Lise mußte das Geld gleich bei ihrer Ankunft, als sie den Schubkasten aufzog, gesehen haben, ebenso wie das Blatt Stempelpapier, denn sie hatte angefangen, mit der Großen zu tuscheln; und von da an ließ sie sich so behaglich wieder nieder, weil sie die Gewißheit hatte, daß kein Testament vorhanden war. Das Geld, das sollte sie immerhin nicht kriegen. In Vorahnung der Ereignisse des nächsten Tages sagte sich Jean, daß er wenigstens das behalten müsse. Er hatte dann die Nacht auf einem Stuhl zugebracht.
Am nächsten Morgen fand die Beerdigung frühzeitig statt, um neun Uhr; und Abbé Madeline, der am Abend abreiste, konnte noch die Messe lesen und bis zum Grabe mitkommen; aber er wurde ohnmächtig, man mußte ihn forttragen. Die Charles waren gekommen, ebenso wie Delhomme und Nénesse. Das wurde eine Beerdigung, ganz wie es sich gehörte, ohne irgend etwas zuviel. Jean weinte. Geierkopf wischte sich die Augen. Im letzten Augenblick hatte Lise erklärt, ihr versagten die Beine, sie würde niemals die Kraft aufbringen, der Leiche ihrer armen Schwester das Geleit zu geben. Sie war also allein im Hause geblieben, während die Große, Fanny, die Frimat, die Bécu und andere Nachbarinnen dem Sarg folgten. Und bei der Rückkehr vom Friedhof wohnten all diese Leute, die eigens deshalb auf dem Platz vor der Kirche verweilten, schließlich dem Auftritt bei, den man seit dem Vortage vorausgesehen und erwartet hatte.
Bis dahin hatten die beiden Männer, Jean und Geierkopf, in der Furcht, daß es über Françoises kaum erkaltetem Leichnam hinweg zu einer Schlägerei komme, vermieden, einander anzusehen. Nun gingen sie beide in demselben entschlossenen Schritt auf das Haus zu; und sie musterten einander scharf von der Seite. Man würde ja sehen. Auf den ersten Blick begriff Jean, warum Lise nicht im Leichenzug mitgegangen war. Sie hatte allein bleiben wollen, um zumindest schon mit dem Gröbsten umzuziehen. Eine Stunde hatte ihr dazu genügt, wobei sie die Bündel über die Mauer der Frimat warf und das, was hätte zerbrechen können, mit der Schubkarre herumbrachte. Mit einem Klaps hatte sie zum Schluß Laure und Jules wieder in den Hof geschoben, die sich bereits prügelten, während Vater Fouan, den sie ebenfalls hergetrieben hatte, auf der Bank schnaufte. Das Haus war zurückerobert.
»Wo gehst du hin?« fragte Geierkopf jäh und hielt Jean vor der Tür auf.
»Ich geh zu mir nach Hause.«
»Zu dir nach Hause! Wo ist denn das, dein Zuhause? – Hier jedenfalls nicht. Hier sind wir zu Hause.«
Lise war herbeigeeilt; und die Fäuste in die Hüften gestemmt, brüllte sie, war heftiger und beleidigender als ihr Mann.
»He? Was? Was will er denn, dieser verseuchte Kerl? – Lange genug hat er meine arme Schwester vergiftet, was bewiesen ist, denn ohne das wäre sie nicht an ihrem Unfall gestorben, und sie hat ihren Willen gezeigt, indem sie ihm nichts von ihrem Besitz vermacht hat ... Hau doch zu, Geierkopf! Daß er mir nicht reinkommt, er würde uns die Krankheit reinschleppen!«
Jean, dem bei diesem derben Angriff die Luft wegblieb, versuchte noch, Vernunftgründe geltend zu machen.
»Ich weiß, daß das Haus und die Erde an euch zurückfallen. Aber mir steht die Hälfte von den Möbeln und vom Vieh zu ...«
»Die Hälfte, du hast aber eine schöne Portion Unverschämtheit!« unterbrach ihn Lise. »Dreckiger Zuhälter, du würdest dich erdreisten, die Hälfte von irgend etwas zu nehmen, du, der du nicht einmal deine Lauseharke mit hergebracht hast und der du hier eingezogen bist nur mit dem Hemd, auf dem Arsch. Die Frauen müssen dir also was einbringen, ein schönes Schweinegewerbe!«
Geierkopf unterstützte sie, und mit einer Handbewegung, die die Schwelle leerfegte, sagte er:
»Sie hat recht, scher dich weg! – Du hattest deine Jacke und deine Hose, hau ab damit, die werden wir nicht zurückbehalten.«
Die Familie, die Frauen vor allem, Fanny und die Große, die in etwa dreißig Meter Entfernung stehengeblieben waren, schienen das durch ihr Schweigen gutzuheißen.
Da wurde Jean
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