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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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eine Erinnerung hatte ihm soeben die Augen feucht werden lassen, die Erinnerung an den Tag, da er das erste Mal mit Françoise geplaudert hatte: war es nicht auf Les Cornailles gewesen, wo die Coliche Françoise, als sie noch ein junges Ding war, in ein Luzernefeld geschleift hatte? Langsameren Schrittes, gesenkten Hauptes entfernte er sich, und Geierkopf, der immer noch nicht ganz beruhigt war und ihm nachspähte, weil er einen schlimmen Streich von ihm vermutete, konnte sich nun auch dem Stück Erde nähern.
    Er stand da und betrachtete es lange: die Erde war immer noch da, sie sah nicht aus, als ginge es ihr schlecht, niemand hatte ihr was getan. Ihm schwoll das Herz, ihr strömte es zu bei diesem Gedanken, daß er sie von neuem besaß, für immerdar. Er hockte sich hin, er nahm mit beiden Händen eine Scholle Erde, zerdrückte sie, beschnüffelte sie, ließ sie rinnen, um seine Finger darin zu baden. Das war wirklich seine Erde, und vor sich hin singend, kehrte er gleichsam trunken, weil er die Erde geatmet hatte, nach Hause zurück.
    Inzwischen wanderte Jean weiter mit verschwommenen Blicken, ohne zu wissen, wohin ihn seine Füße trugen. Zuerst hatte er nach Cloyes zu Herrn Baillehache rennen wollen, um sich wieder in das Haus einsetzen zu lassen. Dann hatte sich sein Zorn gelegt. Wenn er heute wieder dahin heimkehrte, morgen würde er hinaus müssen. Warum also nicht sofort diesen großen Kummer hinunterwürgen, da die Sache ja nun einmal geschehen war? Übrigens hatte dieses Gesindel recht: arm war er gekommen, arm ging er von dannen. Aber vor allem brach es ihm das Herz und bewog ihn, sich dreinzuschicken, daß er sich sagen mußte, es sei wohl der Wille der sterbenden Françoise gewesen, daß sich die Dinge nun so zutrugen, da sie ihm ihren Besitz nicht vermacht hatte. Er ließ also den Plan fahren, sofort etwas zu unternehmen; und als er wiegenden Schrittes dahinging und sein Zorn wieder aufflackerte, schwor er nur noch, Geierkopfs vor Gericht zu schleppen, um sich seinen Teil rausgeben zu lassen, die Hälfte von allem, was unter das gemeinsame Erbe fiel. Man würde ja sehen, ob er sich ausplündern ließ wie eine Memme!
    Als Jean aufblickte, war er erstaunt, sich vor La Borderie zu sehen. Ein Gedankengang, der ihm nur halb bewußt geworden war, führte ihn zu dem Gehöft wie zu einer Zuflucht. Und wenn er die Gegend nicht verlassen wollte, würde man ihm nicht tatsächlich allein dort Unterkunft und Arbeit geben und damit die Möglichkeit, zu bleiben. Hourdequin hatte ihn immer geschätzt, er zweifelte nicht daran, auf der Stelle angenommen zu werden.
    Aber der Anblick der Cognette, die völlig kopflos den Hof überquerte, beunruhigte ihn schon von ferne. Es schlug elf Uhr, er platzte mitten in eine furchtbare Katastrophe hinein. Am Morgen hatte die junge Frau, die vor der Magd heruntergekommen war, am Fuße der Treppe die Falltür zum Keller, diese so gefährlich angebrachte Falltür, offen vorgefunden, und Hourdequin lag unten, tot, hatte sich an der Kante einer Stufe das Kreuz gebrochen. Sie hatte aufgeschrien, Leute waren herbeigerannt, ein Grauen brachte das Gehöft außer Fassung. Nun ruhte die Leiche des Hofbesitzers auf einer Matratze im Speisezimmer, während sich Jacqueline mit entstelltem Gesicht und ohne eine Träne in der Küche der Verzweiflung überließ.
    Sobald Jean eingetreten war, redete sie, machte sie mit erstickter Stimme ihrem Herzen Luft:
    »Ich hab es ja immer gesagt, ich wollte, daß man dieses Loch woandershin machte! – Aber wer hat es denn bloß offengelassen? Ich bin sicher, daß es gestern abend zu war, als ich nach oben gegangen bin ... Seit heute früh zerbreche ich mir den Kopf deswegen.«
    »Der Herr ist vor Euch runtergegangen?« fragte Jean, den der Unfall in Bestürzung versetzte.
    »Ja, der Tag graute kaum ... Ich schlief noch. Es war mir, als oh unten eine Stimme riefe. Ich habe wohl geträumt ... Oft stand er so auf, ging immer ohne Licht hinunter, um die Knechte zu überraschen, wenn sie aus dem Bett krochen ... Er wird das Loch nicht gesehen haben, er wird runtergestürzt sein. Aber wer, wer hat denn diese Falltür offengelassen? Ach, das überlebe ich nicht!«
    Jean schob den Verdacht, der ihn leise streifte, sofort beiseite. Sie hatte keinerlei Interesse an diesem Tod, ihre Verzweiflung war ehrlich.
    »Das ist ein großes Unglück«, murmelte er.
    »O ja, ein großes Unglück, ein sehr großes Unglück für mich!« Sie sank auf einen Stuhl, niedergeschlagen,

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