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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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aufgeschnappt.
    »Der Krieg, ach, du meine Güte! Der macht erst richtige Männer! – Wenn man nicht dabeigewesen ist, kann man's nicht wissen. Es gibt nur eins, sich einen Dreck um Schüsse scheren ... Na? Da unten bei den Mulatten ...«
    Und er zwinkerte mit dem linken Auge, während Jesus Christus mit verständnisvoller Miene grinste. Beide hatten die Feldzüge in Afrika mitgemacht, der Feldhüter gleich in der ersten Zeit der Eroberung, der andere später bei den letzten Aufständen. So hatten sie trotz der verschiedenen Zeitabschnitte gemeinsame Erinnerungen an abgeschnittene und als Rosenkränze auf Schnüre gezogene Beduinenohren, an Beduininnen mit ihrer eingeölten Haut, die man sich hinter den Hecken schnappte und denen man sämtliche Löcher zustopfte. Jesus Christus besonders erzählte immer wieder eine Geschichte, bei der sich die Bäuche der Bauern vor ungeheurem Gelächter blähten: eine große zitronengelbe Stute von Frau, die man splitternackt mit einer Pfeife im Hintern rennen ließ.
    »Himmelsakrament!« fuhr Bécu fort und wandte sich an Fanny. »Ihr wollt also, daß Nénesse ein Mädchen bleibt? – Ich werde Delphin schon zum Kommiß bringen, ich!«
    Die Kinder hatten aufgehört zu spielen; Delphin, dieses Bürschchen, in dem schon ein richtiger Bauer steckte, hob seinen runden und derben Kopf.
    »Nein!« erklärte er rundheraus mit starrköpfiger Miene.
    »He? Was sagst du? Ich werd dir Mut beibringen, schlechter Franzose!«
    »Ich will nicht fortziehen, ich will bei uns daheim bleiben.«
    Der Feldhüter holte aus mit der Hand, da hielt Geierkopf ihn auf.
    »Laßt doch den Jungen in Ruhe! – Er hat recht. Braucht man ihn denn? Es gibt andere ... Hat sich was, daß man zur Welt kommt, um sein Fleckchen Erde aufzugeben, um loszuziehen und sich die Fresse einschlagen zu lassen wegen eines Haufens Geschichten, um die man sich nicht schert. Ich, ich bin nicht aus der Gegend fortgekommen, mir geht es deswegen nicht schlechter.«
    Tatsächlich hatte er eine gute Nummer gezogen, er war ein Mann der Scholle, dem Boden verhaftet, kannte nur Orleans und Chartres und hatte jenseits des flachen Horizonts der Beauce nichts gesehen. Und er schien sich damit zu brüsten, so mit dem beschränkten und ausdauernden Starrsinn eines Baums in seiner Erde gesprossen zu sein. Er hatte sich aufrecht hingestellt, die Frauen schauten ihn an.
    »Wenn sie vom Militärdienst heimkommen, sind sie alle so mager!« wagte Lise zu flüstern.
    »Und Ihr, Korporal«, fragte die alte Rose, »seid Ihr weit herumgekommen?«
    Jean, der ein nachdenklicher Bursche war und lieber zuhörte, rauchte wortlos. Er nahm langsam seine Pfeife aus dem Mund.
    »Ja, so ziemlich ... Auf der Krim26 allerdings nicht. Ich mußte weggehen, als Sewastopol27 genommen wurde ... Aber später in Italien28...«
    »Und wie ist das, Italien?«
    Die Frage schien ihn zu überraschen, er zögerte, durchwühlte seine Erinnerungen.
    »Aber Italien, das ist doch wie bei uns. Da gibt's Äcker, da gibt's Wälder mit Flüssen ... Überall ist es dasselbe.«
    »Ihr habt also dort gekämpft?«
    »Ach ja, gekämpft, na klar!«
    Er hatte wieder angefangen seine Pfeife zu schmauchen, er beeilte sich nicht; und Françoise, die aufgeblickt hatte, wartete mit halb offenem Mund auf eine Geschichte. Übrigens zeigten alle Interesse, die Große versetzte sogar dem Tisch einen neuen Stockhieb, um Hilarion zum Schweigen zu bringen, der wimmerte, weil sich Bangbüx das Spielchen ausgedacht hatte, ihm heimtückisch mit einer Nadel in den Arm zu stechen.
    »Bei Solferino da ging's tüchtig heiß her, und es regnete dabei, oh, es regnete ... Ich hatte keinen trockenen Faden am Leibe, das Wasser lief mir am Rücken rein und floß in meine Schuhe ... Wir sind durchgeweicht worden, das kann man ohne zu lügen sagen!«
    Man wartete, was nun noch kommen würde, aber er fügte nichts hinzu; nur das hatte er von der Schlacht gesehen. Nach einer Minute Schweigen fing er mit verständiger Miene wieder an:
    »Mein Gott, der Krieg, das ist nicht so schwierig, wie man glaubt ... Das Los fällt auf einen, nicht wahr? Man ist schon gezwungen, seine Pflicht zu tun. Ich, ich habe den Militärdienst aufgegeben, weil mir anderes lieber ist. Bloß für den kann das noch was Gutes haben, dem sein Beruf zuwider ist, und für den, der wütend wird, wenn der Feind kommt, um uns in Frankreich anzuscheißen.«
    »Trotzdem eine dreckige Sache!« schloß Vater Fouan ab. »Jeder sollte sein Zuhause verteidigen

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