Die Erde
mitgeschleppt. Jeder Privatkrieg zwischen den vornehmen Herren richtete ihn zugrunde, wenn er ihn nicht umbrachte: seine Hütte wurde niedergebrannt, sein Feld wurde kahlgeschoren. Später waren die großen Heerhaufen gekommen, die schlimmste der Landplagen, die unsere Fluren verwüstet haben, diese Abenteurerbanden im Solde dessen, der sie bezahlte, bald für, bald gegen Frankreich, die ihren Durchzug mit Feuer und Schwert kennzeichneten und hinter sich die Erde kahl zurückließen. Wenn auch die Städte dank ihrer Mauern standhielten, die Dörfer wurden in diesem Mordwahn hinweggefegt, der damals vom Anfang bis zum Ende eines Jahrhunderts wehte. Es hat rote Jahrhunderte gegeben, Jahrhunderte, in denen unser flaches Land, wie man sagte, nicht aufgehört hat, vor Schmerz zu schreien, in denen die Frauen vergewaltigt, die Kinder zerschmettert, die Männer aufgehängt wurden. Als dann der Krieg Waffenruhe hielt, genügten die Geldauspresser des Königs, um den armen Leuten eine ständige Qual zu bereiten; denn so viele Steuern es auch gab und so drückend sie auch waren, so bedeutete das fast nichts neben der launenhaften und brutalen Art der Eintreibung, neben der dem Pachthof auferlegten Kopfsteuer und Salzsteuer, den Abgaben, die verteilt wurden, wie es die Ungerechtigkeit gerade fügte, eingefordert von bewaffneten Truppen, die das Geld des Fiskus eintrieben, wie man eine Kriegskontribution erhebt, und zwar so gründlich, daß fast nichts von diesem Geld in die Staatskassen gelangte, weil es unterwegs gestohlen, in jeder der plündernden Hände, durch die es ging, weniger wurde. Dann kam das Hungern dazu. Die stumpfsinnige Tyrannei der den Handel lahmlegenden Gesetze, die den freien Verkauf von Getreide verhinderten, führte alle zehn Jahre zu entsetzlichen Teuerungen, in Jahren mit zu heißer Sonne und zu langen Regenfällen, die Strafen Gottes zu sein schienen. Ein Ungewitter, das die Flüsse anschwellen ließ, ein Frühling ohne Wasser, die kleinste Wolke, der kleinste Sonnenstrahl gefährdeten die Ernten, rafften Tausende von Menschen hinweg: furchtbare Schläge des Hungerleids, jähe Teuerungen aller Dinge, entsetzliche Notzeiten, während deren die Menschen das Gras der Gräben abweideten wie die Tiere. Und schicksalhaft brachen nach den Kriegen, nach den Hungersnöten Seuchen aus, töteten jene, die das Schwert und der Hunger verschont hatten. Eine unaufhörlich aus der Unwissenheit und der Unsauberkeit wiederauferstehende Fäulnis war das, die schwarze Pest, der große Tod; man sah sein riesiges Gerippe die früheren Zeiten überragen, ihn mit seiner Sense das traurige und bleiche Volk der Fluren wegscheren.
Da empörte sich Jacques Bonhomme, wenn er zu sehr litt. Er hatte Jahrhunderte der Angst und der Ergebenheit hinter sich, seine Schultern waren von den Schlägen hart geworden, sein Herz war so zerschmettert, daß er seine Niedrigkeit nicht fühlte. Man konnte ihn lange prügeln, aushungern, ihm alles stehlen, ohne daß er seine Vorsicht aufgegeben, sich von dieser Verdummung frei gemacht hätte, während der er wirre Dinge im Kopf wälzte, von denen er selber nichts wußte; und das so lange, bis das Maß voll war, bis zu einer letzten Ungerechtigkeit, einem letzten Leiden, das ihn veranlaßte, urplötzlich seinem Herrn an die Gurgel zu springen, wie ein Haustier, das man zu sehr geschlagen hatte und das rasend geworden war. Von Jahrhundert zu Jahrhundert bricht immer dieselbe Verbitterung los, der Bauernaufstand bewaffnet den Ackermann mit seiner Mistgabel und seiner Sense, wenn ihm nichts anderes mehr übrigbleibt, als zu sterben. So war es mit den christlichen Bagauden31 Galliens, mit den Pastoureaux32 in der Zeit der Kreuzzüge, später mit den Croquants33 und mit den Barfüßern34, die über die Adligen und die Soldaten des Königs herfielen. Nach vierhundert Jahren läßt der noch durch die verwüsteten Felder streichende Schmerzens und Zornesschrei der Jacques35 die Herren in der Tiefe ihrer Schlösser erzittern. Wenn sie wiederum einmal fuchswild werden, sie, die in der Mehrzahl sind, wenn sie schließlich ihren Anteil an den Genüssen dieser Welt fordern? Und die Gespenster aus alter Zeit galoppieren vorüber, große halbnackte Teufel in Lumpen, wahnsinnig vor Brutalität und Begierden, die vernichten und ausrotten, wie man sie vernichtet und ausgerottet hat, und nun, da sie an der Reihe sind, die Frauen der anderen vergewaltigen!
»Besänftige deinen Zorn, Ackermann«, fuhr Jean in seiner
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