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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und nicht mehr.«
    Abermals herrschte Schweigen. Es war sehr warm, eine feuchte und lebendige Wärme, die noch verstärkt wurde durch den starken Geruch der Streu. Eine der beiden Kühe, die sich aufgestellt hatte, mistete sich aus; und man hörte das sanfte und rhythmische Geräusch breitklatschender Kuhfladen. Aus der Nacht des Gebälks klang das schwermütige Zirpen einer Grille herab, und die flinken Finger der Frauen, die die Nadeln ihres Strickzeugs bewegten, schienen mitten in all diesem Schwarz riesige Spinnenbeine die Wände entlanglaufen zu lassen.
    Palmyre, die die Lichtputzschere zur Hand genommen hatte, um den Docht der Kerze abzuschneiden, schnitt ihn so tief ab, daß sie sie auslöschte. Das gab Geschrei, die Mädchen lachten, die Kinder stachen Hilarion mit der Nadel in eine Arschbacke; und die Dinge hätten eine Wendung zum Schlimmen genommen, wenn die Kerze von Jesus Christus und Bécu, die über ihren Karten dösten, nicht trotz ihres langen, zu einem roten Pilz verbreiterten Dochts dazu gedient hätte, die andere wieder anzuzünden. Erschüttert über ihre Ungeschicklichkeit, zitterte Palmyre wie eine kleine Göre, die fürchtet, mit der Peitsche was abzubekommen.
    »Mal sehen«, sagte Fouan, »wer uns das vorliest, womit wir den Feierabend beenden wollen? – Korporal, Ihr müßt Gedrucktes doch sehr gut lesen können.«
    Er hatte ein schmieriges Büchlein hervorgeholt, eines jener Bücher bonapartistischer Propaganda, mit denen das Kaiserreich das flache Land überschwemmt hatte. Dieses hier, das aus dem Warenballen eines Hausierers gefallen war, war ein heftiger Angriff gegen das Ancien régime29, eine dramatisch erzählte Geschichte des Bauern vor und nach der Revolution unter dem wehklagenden Titel »Jacques Bonhommes30 Mißgeschicke und Triumph«.
    Jean hatte das Buch zur Hand genommen und fing sofort, ohne sich bitten zu lassen, mit ausdrucksloser und leiernder Schuljungenstimme, die sich nicht um die Zeichensetzung kümmert, an zu lesen. Andächtig hörte man ihm zu.
    Zu Anfang war von den freien Galliern die Rede, die von den Römern zur Sklaverei gezwungen und später von den Franken unterworfen worden waren, welche durch Einführung des Lehnswesens aus den Sklaven Leibeigene machten. Und das lange Martyrium begann, das Martyrium Jacques Bonhommes, des Arbeiters der Erde, der Jahrhunderte hindurch ausgebeutet, ausgerottet wurde. Während das Volk der Städte aufbegehrte, die Stadtgemeinde gründete, das Bürgerrecht durchsetzte, gelang es dem allein auf sich gestellten Bauern, der nichts mehr sein eigen nannte, der sich selbst nicht mehr gehörte, erst später, sich zu befreien, mit seinem Geld die Freiheit, ein Mensch zu sein, zu erkaufen; und welch trügerische Freiheit! Der Bauer überbürdet, geknebelt durch Steuern, die ihm das Blut aussaugten und ihn zugrunde richteten, der Besitz unaufhörlich in Frage gestellt, ein Besitz, auf dem so viele Lasten lagen, daß er dem Besitzer kaum mehr als Kiesel zum Essen ließ! Alsdann begann eine gräßliche Aufzählung, die Aufzählung der Gerechtsamen, die dem Unglückseligen auferlegt waren. Niemand konnte ein genaues und vollständiges Verzeichnis davon aufstellen, es wimmelte davon, sie wehten gleichzeitig vom König, vom Bischof und vom Grundherrn daher. Drei vom gleichen Körper fressende blutgierige Tiere: der König bekam den Zins und die Kopfsteuer, der Bischof bekam den Zehnten, der Grundherr besteuerte alles, schlug aus allem Geld heraus. Nichts gehörte mehr dem Bauern, nicht die Erde, nicht das Wasser, nicht das Feuer, nicht einmal die Luft, die er atmete. Er mußte zahlen, immer zahlen, für sein Leben, für seinen Tod, für seine Verträge, seine Herden, seinen Handel, seine Vergnügen. Er zahlte, um das Regenwasser aus den Gräben auf seinen Boden abzuleiten, er zahlte für den Staub der Wege, den die Füße seiner Hammel im Sommer bei großer Trockenheit aufwirbelten. Wer nicht zahlen konnte, gab seinen Leib und seine Zeit, war auf Gnade und Ungnade Steuer und fronpflichtig, war gezwungen zu pflügen, zu ernten, zu mähen, den Wein auszuschneiden, die Gräben des Schlosses auszuschlämmen, die Landstraßen anzulegen und zu unterhalten. Und die Naturalabgaben, und die Zwangsrechte, die Mühle, der Backofen, die Kelter, in denen ein Viertel der Ernten blieben; und die Wach und Aufsichtsgerechtsamen, die sogar nach dem Abreißen der Warttürme fortbestanden und dann in Geld zu entrichten waren; und die Übernachtungs, Aufbringungs

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