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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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er die Unterstützung des Präfekten nicht hatte erwirken können, so gekränkt fühlte, daß er hartnäckig darauf bestand, sich als unabhängiger Kandidat aufstellen zu lassen. Er hatte keinerlei Aussicht, die Wähler des flachen Landes behandelten ihn als Staatsfeind, da er es nicht mit dem Stärkeren hielt.
    »Wahrhaftig!« fuhr Herr de Chédeville fort. »Er möchte nur eines, nämlich daß das Brot billig ist, damit er seinen Arbeitern weniger zu zahlen braucht.«
    Der Hofbesitzer, der sich ein Glas Bordeaux einschenken wollte, stellte die Flasche auf den Tisch zurück.
    »Das ist das Furchtbare!« rief er. »Auf der einen Seite wir Bauern, die wir unser Getreide zu einem lohnenden Preis verkaufen müssen. Auf der anderen Seite die Industrie, die auf das Sinken der Preise aus ist, damit sie die Löhne herabsetzen kann. Das ist ein erbitterter Krieg, und sagen Sie mir nur, wie wird der enden?«
    Das war tatsächlich gegenwärtig das schreckliche Problem, der Antagonismus, der den sozialen Körper zum Krachen brachte. Die Frage überstieg bei weitem das Fassungsvermögen des alten Stutzers, der sich begnügte, den Kopf zu schütteln und eine ausweichende Handbewegung zu machen.
    Hourdequin, der sein Glas gefüllt hatte, leerte es auf einen Zug.
    »Das kann zu keinem Ende führen ... Wenn der Bauer seinen Weizen gut verkauft, verhungert der Arbeiter; wenn der Arbeiter zu essen hat, dann verreckt der Bauer ... Was also? Ich weiß nicht, zerfleischen wir uns gegenseitig!« Er hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt, war in Fahrt gekommen und machte ungestüm seinem Herzen Luft; und seine geheime Verachtung für diesen Grundbesitzer, der sein Land nicht selber bestellte, der nichts über die Erde wußte, von der er lebte, war an einem gewissen ironischen Beben seiner Stimme zu merken. »Sie haben mich um die Schilderung von Tatsachen für Ihre Rede gebeten ... Nun ja! Zunächst einmal ist es Ihre Schuld, wenn La Chamade an Wert verliert. Robiquet, der Pächter, den Sie da haben, läßt die Dinge schleifen, weil sein Pachtvertrag abläuft und er den Verdacht hegt, Sie beabsichtigen, die Pacht zu erhöhen. Man sieht Sie nie, man macht sich über Sie lustig, und man bestiehlt Sie, nichts ist selbstverständlicher als das ... Dann trägt zu Ihrem Ruin noch ein einfacherer Grund bei: nämlich der, daß wir uns alle zugrunde richten, weil die Beauce sich erschöpft, ja, die fruchtbare Beauce, die Ernährerin, die Mutter!« Er redete weiter. Zum Beispiel ist der Per ehe auf der anderen Seite des Loir in seiner Jugend eine arme Gegend gewesen mit kümmerlichem Landbau, fast ohne Getreide, deren Bewohner sich zur Ernte in Cloyes, in Châteaudun, in Bonneval verdingten; und dank des ständigen Steigens des Arbeitslohnes kam nun heute der Perche zu Wohlstand, würde bald die Beauce ausstechen; nicht gerechnet, daß er durch die Viehzucht reich wurde und daß die Märkte von Mondoubleau, SaintCalais und Courtelain das flache Land mit Pferden, Rindern und Schweinen versorgten. Die Beauce, die lebte nur von ihren Schafen. Als vor zwei Jahren der Milzbrand die Schafbestände arg mitgenommen hatte, hatte sie eine so furchtbare Krise durchgemacht, daß sie daran gestorben wäre, wenn die Landplage weitergedauert hätte. Und er kam auf sein eigenes Ringen zu sprechen, auf seine Geschichte, seinen dreißig Jahre währenden Kampf mit der Erde, aus dem er ärmer geworden hervorging. Stets hatte es ihm an Kapital gefehlt, er hatte manche Felder nicht so meliorieren können, wie er es gewünscht hätte, allein die Mergelung war wenig kostspielig, und niemand außer ihm befaßte sich damit. Dieselbe Geschichte mit den Düngemitteln, man verwandte nur Stalldung, der unzulänglich war; alle seine Nachbarn machten sich darüber lustig, wenn sie sahen, daß er Kunstdünger versuchte, dessen schlechte Qualität übrigens oft den Lachern recht gab. Trotz seiner Ansichten über den Fruchtwechsel hatte er den in der Gegend üblichen übernehmen müssen, den dreijährigen Fruchtwechsel ohne Brachen, seit sich die Koppeln und der Anbau von Pflanzen, die gejätet werden mußten, ausbreiteten. Eine einzige Maschine, die Dreschmaschine, begann sich durchzusetzen. Das war die tödliche, unvermeidliche Erstarrung im Herkömmlichen. Und wenn er als fortschrittlicher und intelligenter Mensch sich davon übermannen ließ, wie stand es da erst um die kleinen Besitzer, diese Dickschädel, die allen Neuerungen feindlich gesinnt waren? Ein Bauer wäre eher

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