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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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verhungert, als daß er auf seinem Felde eine Handvoll Erde aufgehoben und sie zum Analysieren zu einem Chemiker gebracht hätte, der ihm gesagt haben würde, was sie zuviel oder zuwenig hatte, welche Düngung sie verlangte, welche Bestellung erforderlich war, um damit Erfolg zu haben. Seit Jahrhunderten nahm der Bauer vom Boden, ohne jemals daran zu denken, ihm etwas zurückzugeben, weil er nur den Mist seiner beiden Kühe und seines Pferdes kannte, mit dem er geizte; das übrige geschah dann auf gut Glück, die Saat wurde auf irgendein Gelände geworfen, keimte aufs Geratewohl, und der Himmel wurde verflucht, wenn sie nicht keimte. Der Ertrag würde sich erst an dem Tage verdoppeln, da der Bauer endlich über Fachkenntnisse verfügen und sich zu einer vernünftigen und wissenschaftlichen Bestellung entschließen würde. Aber bis dahin würde er, weil er unwissend und starrköpfig war und keinen Sou Spargeld hatte, die Erde töten. Und so starb die Beauce, die uralte Kornkammer Frankreichs, die ebene und wasserlose Beauce, die nur ihr Getreide hatte, allmählich an Erschöpfung, war es müde, sich das Blut aussaugen zu lassen und ein stumpfsinniges Volk zu ernähren. »Ach! Alles geht in die Binsen!« schrie er grob. »Ja, unsere Söhne werden den Bankrott der Erde erleben. Wissen Sie auch, daß unsere Bauern, die früher Sou um Sou zusammenkratzten für den Kauf eines Fleckchens Land, nach dem sie jahrelang gierten, heute Wertpapiere kaufen, spanische, portugiesische, ja sogar mexikanische? Und sie wagen keine hundert Francs, um einen Hektar mit Mergel zu düngen! Sie haben kein Vertrauen mehr, die Väter bewegen sich mit ihren herkömmlichen Methoden im Kreise wie todmüde Tiere, die Mädchen und die Burschen hegen nur den Traum, die Kühe im Stich zu lassen, sich den Ackerdreck abzukratzen, um in die Stadt auszurücken ... Aber das schlimmste ist, daß die Bildung – wissen Sie! –, die famose Bildung, die alles retten soll, diese Abwanderung, diese Entvölkerung des Landes fördert, indem sie den Kindern eine dumme Eitelkeit und die Neigung zu falschem Wohlleben einflößt ... In Rognes, sehen Sie, da haben sie einen Schulmeister, diesen Lequeu, ein dem Pflug entlaufener Kerl, zerfressen von Groll gegen die Erde, die er beinahe hätte bestellen müssen. Nun ja! Wie soll der in seinen Schülern die Liebe zu ihrem Stande wecken, wenn er sie alle Tage mit der Verachtung eines Gebildeten Wilde und Viehzeug schimpft und sie zum väterlichen Misthaufen zurückschickt? – Das Heilmittel, mein Gott, das Heilmittel, das wäre sicherlich, andere Schulen zu bekommen, einen praktischen Unterricht, gestaffelte Landwirtschaftslehrgänge ... Das, Herr Abgeordneter, ist eine Tatsache, auf die ich Sie aufmerksam mache. Bestehen Sie darauf, die Rettung liegt vielleicht bei diesen Schulen, falls noch Zeit dazu ist.«
    Herr de Chédeville, der zerstreut war und sich unbehaglich fühlte bei dieser gewaltigen Masse von Belegen, beeilte sich zu antworten:
    »Gewiß, gewiß.«
    Und da die Magd den Nachtisch brachte, einen Fettkäse und Früchte, und dabei die Küchentür weit offenließ, erblickte er Jacquelines hübsches Profil, er neigte sich vor, blinzelte, rückte hin und her, um die Aufmerksamkeit der reizenden Person auf sich zu ziehen; dann fuhr er mit der Flötenstimme eines früheren Herzensbrechers fort:
    »Aber Sie erzählen mir nichts vom Kleinbesitz!« Er brachte die landläufigen Vorstellungen zum Ausdruck: der 1789 geschaffene, durch das Gesetz begünstigte Kleinbesitz, sei zur Regenerierung der Landwirtschaft berufen; kurzum, sind alle Grundbesitzer, dann setzt jeder seinen Verstand und seine Kraft darein, seine Parzelle zu bestellen.
    »Lassen Sie mich doch damit in Frieden!« erklärte Hourdequin. »Zunächst einmal bestand der Kleinbesitz schon vor 1789 und war fast ebensoweit verbreitet. Außerdem gibt es viel zu sagen über die Aufstückelung, Gutes und Schlechtes.« Die Ellbogen auf den Tisch gestützt und Kirschen essend, deren Kerne er ausspuckte, ging er wiederum auf Einzelheiten ein. In der Beauce machte der Kleinbesitz, das Erbteil unter zwanzig Hektar, achtzig Prozent aus. Seit einiger Zeit kauften fast alle Tagelöhner, die sich auf den Gehöften verdingten, Parzellen großer aufgeteilter Güter, die sie in ihrer Freizeit bestellten. Gewiß, das war vortrefflich, denn der Arbeiter fühlte sich dadurch an die Erde gebunden. Und man konnte zugunsten des Kleinbesitzes hinzufügen, daß er die Menschen

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