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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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aufgefressen hatten ... Jedoch schon seit Jahren verspricht man uns die Gründung einer Landwirtschaftskreditbank mit vernünftigen Zinssätzen. Ja! Da können wir lange warten! – Und das ekelt sogar die guten Arbeiter an, sie kommen noch dahin, daß sie erst vorsichtig mit sich zu Rate gehen, ehe sie ihren Frauen ein Kind machen. Na, danke schön! Ein Mund mehr, ein Hungerleider, der todunglücklich sein würde, daß er geboren worden ist! Wenn es kein Brot gibt für alle, macht man keine Kinder mehr, und die Nation verreckt!«
    Herr de Chédeville, der entschieden gestärkt war, wagte ein unruhiges Lächeln und murmelte:
    »Sie sehen die Dinge nicht gerade rosig.«
    »Das stimmt, es gibt Tage, an denen ich alles hinschmeißen möchte«, antwortete Hourdequin munter. »Dreißig Jahre dauern diese Widerwärtigkeiten nun schon! – Ich weiß nicht, warum ich mir das in den Kopf gesetzt habe, ich hätte das Gehöft verkloppen und was anderes machen sollen. Gewohnheit zweifellos, und dann die Hoffnung, daß das anders wird, und dann die Leidenschaft, warum soll ich es nicht sagen? Dieses Weibsbild, die Erde, wenn die einen zu packen kriegt, läßt sie einen nicht mehr los ... Da! Schauen Sie sich das hier an; es ist vielleicht dumm, aber ich fühle mich getröstet, wenn ich das sehe.« Mit seiner ausgestreckten Hand zeigte er auf einen Silberpokal, der gegen die Fliegen durch ein Stück Musselin geschützt wurde: dieser Pokal war der in einem Landwirtschaftsverein gewonnene Ehrenpreis. Diese Vereine, in denen er triumphierte, waren der Ansporn seiner Eitelkeit, einer der Gründe für seine Hartnäckigkeit. Trotz der offensichtlichen Müdigkeit seines Gastes ließ er sich Zeit und trank langsam seinen Kaffee; und er goß gerade zum dritten Male Kognak in seine Tasse, da sprang er plötzlich auf, nachdem er seine Taschenuhr gezogen hatte. »Verflixt! Zwei Uhr, und ich habe eine Gemeinderatssitzung! – Es handelt sich um einen Weg. Wir willigen gern ein, die Hälfte zu zahlen, aber für den Rest möchten wir eine Beihilfe vom Staat erwirken.«
    Glücklich und erlöst, war Herr de Chédeville von seinem Stuhl aufgestanden.
    »Hören Sie mal, ich kann Ihnen nützlich sein, ich werde die Beihilfe für Sie erwirken ... Soll ich Sie in meinem Kabriolett nach Rognes fahren, da Sie es ja eilig haben?«
    »Ausgezeichnet!«
    Und Hourdequin ging hinaus, um den Wagen anspannen zu lassen, der mitten im Hof stehengeblieben war. Als er wieder hereinkam, fand er den Abgeordneten nicht mehr vor, er gewahrte ihn schließlich in der Küche. Der hatte nämlich die Tür aufgestoßen, und dort stand er lächelnd vor der freudestrahlenden Jacqueline und machte ihr aus so großer Nähe Komplimente, daß sich ihre Gesichter fast berührten: beide hatten sich gewittert, hatten sich verstanden und sagten sich das mit einem hellen Blick.
    Als Herr de Chédeville wieder in sein Kabriolett gestiegen war, hielt die Cognette Hourdequin einen Augenblick zurück, um ihm ins Ohr zu flüstern: »Na? Der ist netter als du, der findet nicht, daß ich zum Verstecken gut bin!«
    Während der Wagen zwischen den Weizenschlägen dahinrollte, kam der Hofbesitzer wieder auf die Erde, seine ewige Sorge, zu sprechen. Er zeigte nun schriftliche Aufzeichnungen vor, Zahlen, denn seit einigen Jahren führte er Buch. In der Beauce waren es keine drei, die das ebenfalls taten, und die Kleinbesitzer, die Bauern zuckten die Achseln, begriffen das nicht einmal. Allein die Buchführung legte die Verhältnisse dar, weil aus ihr ersichtlich war, welche Erzeugnisse Gewinn und welche Verlust brachten; außerdem gab sie den Selbstkostenpreis und folglich auch den Verkaufspreis an. Bei Hourdequin hatte jeder Knecht, jedes Tier, jedes Feld, ja sogar jedes Werkzeug seine Seite, seine beiden Spalten, Soll und Haben, so daß er ständig über das Ergebnis seiner Unternehmungen unterrichtet war, mochte es nun gut oder schlecht sein.
    »Zumindest weiß ich«, sagte er mit seinem derben Lachen, »wie ich zugrunde gehe.« Aber plötzlich unterbrach er sich und fluchte zwischen den Zähnen. Seit einigen Minuten versuchte er sich im dahinrollenden Kabriolett über etwas Klarheit zu verschaffen, das sich in der Ferne am Rande der Landstraße abspielte. Trotz des Sonntags hatte er eine kürzlich gekaufte Heuwendemaschine neuen Systems dort hingeschickt, um einen Schlag gemähte Luzerne zu wenden, mit der es eilte.
    Und der Knecht, der sich nicht vorsah und seinen Herrn in diesem unbekannten

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