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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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war angewidert und außer sich darüber. Tagsüber zog sie es vor, aus dem Hause zu gehen, damit die beiden ihre Schweinereien nach Belieben tun konnten. Wenn sie abends zu schäkern anfingen, sobald sie vom Tisch aufstanden, schrie sie ihnen zu, sie sollten wenigstens warten, bis sie mit dem Aufwaschen fertig sei. Und sie ging auf ihre Stube, schmiß die Türen zu und stammelte zwischen ihren zusammengepreßten Zähnen Schimpfworte: Solche Säue, solche Säue! Trotz allem glaubte sie noch zu hören, was unten vor sich ging. Den Kopf ins Kissen vergraben, das Bettuch bis zu den Augen hochgezogen, brannte sie vor Fieber, Ohr und Auge wurden von Sinnestäuschungen heimgesucht, und sie litt unter dem Aufbegehren ihres erwachenden Geschlechts.
    Das schlimmste war, daß Geierkopf, wenn er sah, daß sie so mit alldem beschäftigt war, zum Spaß mit ihr scherzte. Je nun? Was denn? Was würde sie denn sagen, wenn sie dran glauben müßte? Lise lachte auch, fand nichts Schlechtes dabei. Und alsdann erklärte er seine Auffassung von dem Spielchen: Da der liebe Gott jedem dieses Vergnügen, das nichts kostete, geschenkt hatte, so war es erlaubt, sich das zu gönnen, soviel man konnte, bis über beide Ohren; aber kein Kind, ach, nein, was das betraf, so durfte keins mehr kommen. Man machte aus Dummheit immer zu viele Kinder, wenn man nicht verheiratet war. So Jules zum Beispiel, trotz allem eine verflixte Überraschung, die er wohl hatte hinnehmen müssen. Aber sobald man verheiratet war, wurde man vernünftig, er hätte sich lieber verschnitten wie einen Kater, als noch mal damit von vorn anzufangen. Dankeschön! Damit noch ein Mund mehr im Hause sei, wo das Brot schon so flink wegflitzte! Deshalb mache er die Augen auf, passe auf sich auf bei seiner Frau, die so üppig war und ein solches Prachtweib, daß sie das Zeug auf Anhieb runterschluckte, sagte er und fügte zum Spaß hinzu, daß er tüchtig pflüge und nicht säe. Getreide, oh, Getreide, soviel der aufgetriebene Bauch der Erde rauslassen könne! Aber Knirpse, das war aus, für immer!
    Und inmitten dieser unaufhörlichen Einzelheiten, dieser Begattungen, die sie streifte und die sie spürte, wuchs Françoises Verwirrung. Man warf ihr vor, daß ihr Charakter sich ändere; und tatsächlich wurde sie von unerklärlichen Launen befallen, war ständig sprunghaft, bald lustig, dann traurig, dann mürrisch und böse. Morgens sah sie Geierkopf mit finsterm Blick nach, wenn er, ohne sich Zwang anzutun, halbnackt durch die Küche ging. Streitereien waren zwischen ihr und ihrer Schwester ausgebrochen, wegen Lappalien, wegen einer Tasse, die sie zerschlagen hatte. Gehörte ihr denn diese Tasse nicht auch, zumindest die Hälfte? Konnte sie nicht die Hälfte von allem zerschlagen, wenn ihr dies Spaß machte? Wegen dieser Eigentumsfragen spitzten sich die Streitigkeiten immer mehr zu und ließen mehrere Tage lang Groll zurück.
    Um diese Zeit überließ sich sogar Geierkopf einer gräßlichen Stimmung. Die Erde litt unter einer furchtbaren Dürre; seit sechs Wochen war nicht ein Tropfen Regen gefallen. Und mit geballten Fäusten kehrte er heim, war ganz krank, weil er die Ernten in Frage gestellt sah, der Roggen kärglich, der Hafer dürftig, der Weizen verdorrt, bevor er noch Körner ansetzte. Geierkopf litt gewiß ebenso wie das Getreide selber, ihm zog sich der Magen zusammen, seine Glieder wurden von Krämpfen verrenkt, waren zusammengeschrumpft, vertrocknet vor Mißmut und Zorn. Daher geriet er eines Morgens zum ersten Mal mit Françoise aneinander. Es war heiß; er hatte sich am Brunnen gewaschen, das Hemd offengelassen und die Hosen nicht wieder zugeknöpft, so daß sie ihm beinahe von den Arschbacken rutschte; und als er sich setzte, um seihe Suppe zu essen, ging Françoise, die ihm auftrug, eine Weile um ihn herum. Schließlich platzte sie hochrot los:
    »Hör mal, steck doch dein Hemd rein, das ist ja ekelhaft.«
    Er war an diesem Tag schlecht aufgestanden, er brauste auf: »Himmelsakrament! Bist du endlich fertig, mich zu beglotzen? Guck doch nicht hin, wenn dir das nicht paßt. Du hast wohl Lust, das Ding mal zu befühlen, Rotznase, weil du immer hinglotzt.«
    Sie wurde noch mehr rot, sie stammelte, während Lise unrechterweise hinzufügte:
    »Er hat recht, du fällst uns schließlich auf die Nerven ... Hau doch ab, man kann ja nicht einmal mehr bei sich zu Hause machen, was man will.«
    »So ist's, ich werde abhauen«, sagte Françoise wütend, ging aus der Küche und

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