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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gießt, das ist ein Segen! – Nein, wahrhaftig, das ist eine Freude, so sehr gießt das!« Als er das Fenster wieder verließ, sagte er: »Du kommst gerade recht. Die beiden da möchten sich am liebsten auffressen ... Françoise verlangt die Teilung, sie will uns verlassen.«
    »Wie? Diese Göre?« rief Jean verdutzt.
    Sein Verlangen war in eine heftige, verborgene Leidenschaft umgeschlagen; und er fand keine andere Befriedigung, als daß er sie in diesem Hause besuchte, wo er wie ein Freund aufgenommen wurde. Zwanzig Mal hätte er ihr schon einen Heiratsantrag gemacht, wenn er sich nicht zu alt vorgekommen wäre für sie, die noch so jung war; er wartete vergebens, die fünfzehn Jahre Altersunterschied ließen sich nicht beseitigen. Niemand schien zu ahnen, daß er an sie denken könnte, weder sie selber noch ihre Schwester, noch ihr Schwager. Deshalb empfing Geierkopf ihn auch so herzlich und ohne Angst vor den Folgen.
    »Eine Göre, ah, das ist das richtige Wort«, sagte er mit einem väterlichen Achselzucken.
    Aber Françoise, die starr und steif dastand, schaute zu Boden und beharrte auf ihrem Kopf.
    »Ich will mein Teil.«
    »Das wäre das Klügste«, murmelte der alte Fouan.
    Da faßte Jean sanft ihre beiden Handgelenke und zog sie an seine Knie; und so hielt er sie fest mit seinen Händen, die zitterten, weil sie ihre Haut fühlten; er sprach zu ihr mit seiner guten Stimme, die brüchig wurde, als er sie flehentlich bat, zu bleiben. Wohin wollte sie gehen? Zu Fremden? In Stellung nach Cloyes oder nach Châteaudun? War sie nicht besser aufgehoben in diesem Hause, in dem sie aufgewachsen war, unter Leuten, die sie liebten?
    Sie hörte ihm zu, und nun wurde auch sie gerührt; denn wenn sie auch kaum daran dachte, in ihm einen Liebhaber zu sehen, so hörte sie doch gern auf ihn, aus Gewohnheit, oft aus Freundschaft und ein wenig aus Furcht, weil er ihr so ernst vorkam.
    »Ich verlange mein Teil«, wiederholte sie, schon wankend geworden. »Bloß, ich sag nicht, daß ich fortgehen werde.«
    »Ach, Dummkopf«, schaltete sich Geierkopf ein, »was willst du denn mit deinem Teil anstellen, wenn du bleibst! Du hast alles, wie deine Schwester, wie ich; warum willst du also die Hälfte? – Nein, das ist zum Totlachen! – Hör hübsch zu: An dem Tage, an dem du heiratest, wird die Teilung gemacht.«
    Jeans Augen, die sie anstarrten, flackerten, als sei sein Herz schwach geworden.
    »Hörst du? Am Tage deiner Heirat.«
    Sie antwortete nicht, fühlte sich beklommen.
    »Und nun, Kleine, gib deiner Schwester einen Kuß. Das ist besser.«
    Lise war noch nicht schlecht, sie hatte noch die summende Heiterkeit einer üppigen Klatschbase; und sie weinte, als Françoise sich ihr an den Hals hängte.
    Geierkopf, der entzückt war, daß er die Sache hinausgeschoben hatte, rief, man müsse einen Schluck trinken, Himmelsakrament. Er brachte fünf Glaser, entkorkte eine Flasche, ging noch einmal zurück, um eine zweite zu holen. Das gegerbte Gesicht des alten Fouan hatte Farbe bekommen, während er erklärte, daß er für die Pflicht sei. Alle tranken sie, die Frauen ebenso wie die Männer, auf die Gesundheit jedes einzelnen und aller miteinander.
    »Der ist gut, der Wein«, rief Geierkopf und setzte sein Glas derb auf den Tisch zurück. »Na ja! Ihr könnt sagen, was ihr wollt, er ist nicht soviel wert wie das Wasser, das da runterkommt ... Schaut euch das an! Da kommt noch was, da kommt immer noch mehr. Ach, das ist prächtig!«
    Und alle standen sie zusammengedrängt vor dem Fenster, strahlten in einer Art religiöser Verzückung, sahen zu, wie der laue, langsame, unaufhörliche Regen rann, als hätten sie unter diesem wohltätigen Wasser hohes grünes Getreide wachsen sehen.
     

Kapitel II
    In diesem Sommer ließ die alte Rose, die Schwächeanfälle gehabt hatte und mit deren Beinen es nicht mehr ging, eines Tages ihre Großnichte Palmyre kommen, damit sie das Haus scheuere. Fouan war seiner Gewohnheit gemäß fortgegangen und strich um die bestellten Felder herum; und während die unglückselige Palmyre, völlig durchnäßt, sich auf den Knien abrackerte beim Schrubben, folgte ihr Rose Schritt um Schritt, und beide käuten dieselben Geschichten wieder.
    Zuerst war die Rede von Palmyres unglücklichem Los, die nun von ihrem Bruder Hilarion geschlagen wurde. Ja, dieser Unzurechnungsfähige, dieser Blödling war bösartig geworden, und da er Fäuste hatte, die imstande waren, Steine zu zermalmen, fürchtete sie stets, er könne

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