Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
sie umbringen, wenn er über sie herfiel. Aber sie wollte nicht, daß sich jemand einmischte; in ihrer unendlichen Zärtlichkeit, die sie für ihn hegte, schickte sie die Leute fort, die sich einstellten, um ihn zu besänftigen. In der letzten Woche hatte es einen Skandal gegeben, von dem noch ganz Rognes redete, eine solche Schlägerei, daß die Nachbarn herbeigeeilt waren und ihn dabei angetroffen hatten, wie er auf ihr drauf lag und Abscheuliches trieb.
    »Sag, mein Kind«, fragte Rose, um etwas aus ihr herauszubekommen, »er hat dich also vergewaltigen wollen, der Rohling?«
    In ihren triefenden Lumpen dahockend, hörte Palmyre einen Augenblick auf zu schrubben, wurde böse und sagte, ohne auf die Frage zu antworten:
    »Geht das die andern denn was an? Was brauchen die zu uns kommen und herumspionieren? – Wir stehlen niemandem was!«
    »Aber«, fuhr die Alte fort, »wenn ihr doch zusammen schlaft, wie die Leute erzählen, so ist das sehr schlecht.«
    Einen Augenblick verharrte die Unglückliche stumm, mit leidendem Gesicht und in die Ferne gerichteten verschwommenen Augen. Dann bückte sie sich wiederum tief und stammelte, wobei sie jeden Satz mit dem Hin und Her ihrer hageren Arme gleichsam zerschnitt:
    »Ach, sehr schlecht, weiß man's denn? – Der Pfarrer hat mich holen lassen, um mir zu sagen, daß wir in die Hölle kommen würden. Der arme liebe Kerl allerdings nicht ... ›Ein Unzurechnungsfähiger, Herr Pfarrer‹, habe ich geantwortet, ›ein Junge, der nicht mehr versteht als ein drei Wochen altes Baby und der gestorben wäre, wenn ich ihn nicht gefüttert hätte, und der nicht gerade glücklich dabei ist, daß es eben so um ihn steht.‹ – Was mich angeht, so ist das meine Sache, nicht wahr. An dem Tage, da er mich in einem seiner Tobsuchtsanfälle, die ihn jetzt immer packen, erwürgt, werde ich ja sehen, ob der liebe Gott mir vergeben will.«
    Als Rose, die seit langem die Wahrheit wußte, einsah, daß sie keine neue Einzelheit erfahren würde, sagte sie abschließend mit verständiger Miene:
    »Wenn's so ist, denn ist's eben nicht anders ... Wie dem auch sei, das ist kein Leben, was du führst, mein Kind.« Und sie jammerte darüber, daß jedermann sein Unglück habe. So hätten sie und ihr Mann tüchtig was auszustehen, seit sie so gutherzig gewesen waren, um ihrer Kinder willen alles fortzugeben! Von da an hörte sie nicht mehr auf. Das war ihr ewiger Anlaß zu Klagen. »Mein Gott! Rücksichten, ohne die kommt man trotzdem schließlich aus. Wenn die Kinder Schweine sind, sind sie eben Schweine ... Wenn sie bloß das Jahresgeld zahlten.« Sie erklärte der Großnichte zum hundertsten Male, daß allein Delhomme jedes Vierteljahr seine fünfzig Francs bringe. Oh, auf die Minute! Geierkopf war immer im Rückstand, versuchte zu knausern, etwas abzuknapsen. So wartete sie immer noch auf ihn, obwohl das Geld seit zehn Tagen fällig war; er hatte versprochen, heute abend zu kommen und die Schuld zu begleichen. Was Jesus Christus betraf, so war das einfacher: er gab überhaupt nichts, man sah niemals auch nur einen Schimmer von seinem Geld. Und hatte er nicht gerade heute früh die Dreistigkeit gehabt, Bangbüx zu schicken, die angefangen hatte zu flennen und zu bitten, man möge ihr hundert Sous borgen, damit sie ihrem kranken Vater eine Fleischbrühe machen könne. Oh, seine Krankheit kenne man: ein famoses Loch unter der Nase! Deshalb habe man die Schlampe auch richtig empfangen und ihr aufgetragen, sie solle ihrem Vater sagen, wenn er am Abend nicht seine fünfzig Francs bringe wie sein Bruder Geierkopf, werde man ihm den Gerichtsvollzieher schicken. »Bloß um ihm einen Schreck einzujagen, denn der arme Junge ist ja trotzdem nicht böswillig«, fügte Rose bereits gerührt hinzu, denn sie hatte eine Vorliebe für ihren Ältesten.
    Als Fouan bei Einbruch der Nacht zum Abendbrot nach Hause gekommen war, fing sie bei Tisch wieder an, während er den Kopf gesenkt hielt und stumm aß. War das denn menschenmöglich, daß sie von ihren sechshundert Francs bloß die zweihundert von Delhomme bekamen, kaum hundert Francs von Geierkopf, von Jesus Christus überhaupt nichts: das machte gerade die Hälfte des Jahresgeldes aus! Und die Schurken hatten beim Notar unterzeichnet; das stand schwarz auf weiß, war beim Gericht hinterlegt! Oh, die pfiffen aufs Gericht!
    Palmyre, die in der Dunkelheit den Fliesenfußboden der Küche fertig aufwischte, antwortete auf jede Klage mit demselben Satz, wie mit einem

Weitere Kostenlose Bücher