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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Elendskehrreim:
    »Ach, sicher, jeder hat sein Pech, man wird noch dran verrecken!«
    Rose entschloß sich endlich, Licht zu machen; da kam die Große mit ihrem Strickzeug herein. An jenen Tagen, da es lange hell war, wurde kein gemeinsamer Feierabend gehalten; um aber auch ja keinen Kerzenstummel zu verbrauchen, kam sie zu ihrem Bruder, um dort den Abend zu verbringen, bevor sie im Finstern tappend ins Bett ging. Sie ließ sich sofort nieder, und Palmyre, die noch die Töpfe und Kasserollen auszuscheuern hatte, muckste sich nicht mehr, so erschrocken war sie, ihre Großmutter zu sehen.
    »Wenn du warmes Wasser brauchst, mein Kind«, fing Rose wieder an, »so brich ein Reisigbündel an.«
    Sie nahm sich eine Weile zusammen, bemühte sich, von etwas anderem zu sprechen, denn in Gegenwart der Großen vermieden die Fouans, sich zu beklagen, weil sie wußten, daß sie ihr ein Vergnügen damit bereiteten, wenn sie laut bedauerten, alles weggegeben zu haben. Aber die Leidenschaft riß Rose fort.
    »Ach was, du kannst das ganze Bündel nehmen, wenn man das als ein Bündel bezeichnen kann. Kleine Zweige von abgestorbenem Holz! – Abfalle vom Heckenbeschneiden. Fanny muß wahrhaftig ihren Holzstall auskratzen, wenn sie so ein verfaultes Zeug schickt.«
    Da trat Fouan, der vor einem vollen Glase am Tisch sitzen geblieben war, plötzlich aus seinem Schweigen heraus, in das er sich anscheinend verschließen wollte. Er brauste auf:
    »Himmelsakrament, bist du nun fertig mit deinem Reisigbund! Es ist eine dreckige Gemeinheit, das wissen wir ... Was soll denn ich zu diesem schweinemäßigen Krätzer sagen, den Delhomme mir anstelle von Wein gibt?« Er hob sein Glas, betrachtete es im Kerzenlicht. »He? Was hat er da wohl reingewichst? Das ist nicht mal Faßschlempe ... Und der ist noch anständig, der Mann! Die beiden anderen würden uns vor Durst verrecken lassen und uns nicht einmal eine Flasche Wasser vom Fluß raufholen.« Endlich entschloß er sich, seinen Wein in einem Zuge zu trinken. Aber er spuckte heftig. »Ach! Das reinste Gift! Das macht er vielleicht, damit ich sofort ins Gras beiße.«
    Von dem Augenblick an überließen sich Fouan und Rose ihrem Groll, ohne noch irgend etwas zu verschonen. Ihre verbitterten Herzen machten sich Luft; sie wechselten sich ab bei den Litaneien ihrer Beschuldigungen, jeder erzählte, wenn er dran war, seinen Gram. Also die zehn Liter Milch pro Woche: erstens bekamen sie keine sechs, und dann, wenn diese Milch auch nicht vom Herrn Pfarrer getauft worden war, so hatte sie doch tüchtig Wasser abbekommen und war gut christlich. Das war dasselbe wie mit den Eiern, sie wurden bestimmt extra bei den Hühnern bestellt, denn auf dem ganzen Markt von Cloyes hätte man keine so kleinen aufgetrieben; ja, eine richtige Sehenswürdigkeit, und so ungern rausgerückt, daß sie Zeit hatten, unterwegs schlecht zu werden. Was den Käse betraf, oh, den Käse! Rose krümmte sich jedesmal vor Leibschneiden, wenn sie welchen aß. Sie rannte los und holte einen; sie wollte unbedingt, daß Palmyre davon koste. Na? War das nicht ein Greuel? Schrie das nicht nach Rache? Sie mußten wohl Mehl hinzutun, oder vielleicht gar Gips. Aber schon jammerte Fouan, weil seine Ration herabgesetzt worden war und er nur noch für einen Sou Tabak pro Tag rauchen konnte; und sofort trauerte Rose um ihren schwarzen Kaffee, den sie hatte streichen müssen. Und dann warfen sie beide gleichzeitig ihren Kindern den Tod ihres kranken alten Hundes vor, den zu ertränken sie sich am Vortag entschlossen hatten, weil er sie nun zuviel kostete.
    »Ich habe ihnen alles gegeben«, schrie der Alte, »und die Schufte scheren sich einen Dreck um mich! – Oh, das bringt uns noch um, so wütend sind wir, wenn wir uns in diesem Elend sehen.«
    Sie hielten endlich inne, und die Große, die die Lippen nicht auseinandergebracht hatte, blickte einen nach dem andern an mit ihren runden, bösen Vogelaugen:
    »Das geschieht euch recht!«
    Aber gerade in diesem Augenblick trat Geierkopf ein. Da Palmyre ihre Arbeit beendet hatte, machte sie sich das zunutze, um mit den fünfzehn Sous zu entwischen, die ihr Rose eben in die Hand gedrückt hatte.
    Und Geierkopf, der reglos in der Mitte des Raumes stand, wahrte jenes vorsichtige Schweigen des Bauern, der niemals als erster reden will. Zwei Minuten verstrichen.
    Der Vater war gezwungen, die Dinge anzuschneiden.
    »Du entschließt dich also, na, das ist ein Glück ... Seit zehn Tagen läßt du auf dich

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