Die Erdfresserin
greift nach der Decke über mir und schüttelt sie hoch, »wollen wir uns waschen?«
Ich weiß nicht, wie das mit Ihnen ist, ich für meinen Teil fühle mich allein durch die Sauberkeit um mich herum frisch, denke ich, aber ich kriege kein passendes Wort in meinen Mund. Mir hat es endlich jede Sprache verschlagen.
Feuchtigkeit an meinem Gesicht, ein Rütteln am ganzen Körper. Ich weiß nicht, ob ich weine oder gewaschen werde. Das Licht wird unerträglich.
Das Bewusstsein kommt und geht wie die Menschen um mich herum. Manchmal ist es hell, manchmal ist es dunkel, ich höre seltsame Geräusche vom Gang hereinwehen. Manchmal rufe ich nach Leo. Manchmal ist es sehr still.
Als ich die Augen aufschlage, sehe ich ihn neben dem Bett sitzen. Er sitzt schon lange hier. Die Zeitung ist ihm vom Schoß gefallen oder er hat sie weggelegt, und er sitzt auf einen kleinen Polster im Rücken gestützt in einem bequemen Ohrensessel da, sieht mich an und lächelt.
Ich kneife die Augen zusammen, der Ohrensessel ist bunt bestickt, mit einem abgewetzten, aber prachtvollen Stoff bezogen, der mich an die Stickerei im Haus meiner Mutter erinnert, mit Quasten an den Armlehnen, er hält eine blaue Porzellantasse in seiner feinen Hand und rührt mit einem feinen Löffel bedächtig in ihr herum, zweimal nach links drehend und einmal nach rechts, er trägt eine dünne Brille mit Silberfassung und sieht mich über sie hinweg an. Er hat seine schlanken Beine elegant übereinandergeschlagen. Sein Haar ist so silbern wie der Löffel und die Brille. Trotz des silbernen Haares hat er etwas verschmitzt Kindliches in seinem Blick, den er nicht senkt, bis ich blinzeln muss und die Lider schließe, und als ich sie wieder öffne, ist er weg.
Eine Woche später kann ich die Tage auseinanderhalten, die Gesichter der Schwestern, einzelne Stunden.
*
Eine weitere Erinnerung: Ich sitze auf seiner Couch, die mit einem weißen Überwurf bedeckt ist. Das Zimmer ist ruhig. Weicher Polster an meinem Kopf, meine Füße artig nebeneinander auf dem Rattanteppich abgestellt. Zwischen uns ein kleines Glastischchen, auf dem zwei Becher mit Wasser schweben, durchsichtig auf durchsichtig, als ich mich zu meinen hochhackigen Schuhen hinunterbücke, um sie anzuziehen, sehe ich drei durchscheinende Flächen übereinandergetürmt, den Tisch, den dickeren Boden des Glases und die Spannung des Wassers darüber. Irgendwo hat er eine Duftlampe versteckt, es riecht leicht nach Bergamotte und Zitrone und nach Medizin.
Neben ihm sitzt in der Ecke eine kurzgeratene, vollbusige Frau, schwarzgekleidet, mit schwarzem Pagenkopf. Sie sitzt unbeweglich, sie sieht zum Fenster hinaus, ohne mein Gesicht zu streifen. Starr. Konzentriert. Beißt sich immer auf die roten Lippen, bevor sie meinen Redefluss aufgreift, noch während ich spreche, und an ihn weiterreicht, gefärbt mit neuen Worten, denen ich vertrauen muss. Es fehlt die Zeit, sie zu überprüfen. Wie komme ich dazu, meine Geheimnisse einer anderen Frau anzuvertrauen. Ich will nichts von ihr wissen, ich will nicht einmal mehr wissen, dass sie bei uns im Raum ist, ich werde nicht mehr zum Fenster blicken, um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen, ich werde sie niemals grüßen und ich werde sie nicht verabschieden, wenn ich gehe.
Er sitzt mir gegenüber, in einem gepolsterten, abgewetzten Ohrensessel, die Beine elegant übereinandergeschlagen.
Er lächelt. Ich starre zurück und lächle nicht.
»Wie heißen Sie?«, fragt er mich, er fragt so routiniert, dass mir klar wird, dass er mir diese Frage zuvor schon unzählige Male gestellt haben muss.
»Wie heißen denn Sie?«, fahre ich ihn an, um seine Reaktion zu testen.
Er stellt das Tässchen lautlos am Tisch ab.
»Wie heißen Sie?«, wiederholt er, ebenso höflich wie das erste Mal.
»Schicken Sie die Dolmetscherin weg.«
»Die Dolmetscherin bleibt da.«
»Ich kann für mich selbst sprechen.«
»Nicht in meiner Sprache.«
»Dann ignoriere ich sie ab jetzt.«
»Gut. Machen Sie das, wenn es Ihnen so leichter fällt. Wie heißen Sie?«
Ich merke, dass wir uns so noch sehr lange im Kreis drehen werden, er wird nicht nachgeben und ich will weg.
»Sie können mich meinetwegen Diana nennen.«
»Diana und noch?«
»Diana und nichts.«
»Sehr angenehm. Sie können mich gerne Dr. Petersen nennen.«
»Dr. Petersen und noch?«
»Das tut nichts zur Sache. Nicht.«
Sein Name sagt mir nichts, sein Gesicht nur wenig mehr. Wir schweigen.
»Sehen Sie, Diana, wir haben uns bis
Weitere Kostenlose Bücher