Die Erfinder des guten Geschmacks
angerichtet, Kabeljau auf seinen Innereien drapiert. »Wer Kochen verstehen will, muss die unterschiedlichen Garmethoden meistern«, erklärte Santamaria. »Wir haben Elektrizität, Gas und Feuer zur Verfügung. Einen Dampfofen, einen Mischofen, dazu Grillspieß, Plancha und Grill. Der Geschmack einer Pfanne ist etwas anderes als der Geschmack eines Holzfeuers. Wenn man das verstanden hat, bringen Technik und Methodologie nicht weiter. Es geht um die Menschen. Meine Köche haben Ermessensspielraum. Ein Rezept ist schließlich dazu geschaffen, geändert zu werden, ist ein Dialog mit dem Produkt und der Passion.«
Mit seiner Philosophie »Zurück zu den Wurzeln« hattees der Bauernsohn aus Sant Celoni weit gebracht. Er betrieb Zweitlokale in Madrid und Hospitalet, in den Emiraten und in Singapur.
Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs sorgte er sich in den letzten fünf Jahren seines Lebens mehr und mehr um die Kochkunst im Allgemeinen: »Die Gegend nördlich von Sant Celoni gehört zu den Hauptstädten der Chemieindustrie: Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und jetzt auch noch ›Nahrungsmittelparfüms‹. Man hat sie mir angeboten, ich will sie nicht. Andere Köche können anders entscheiden. Aber ich hätte gern, dass die Leute wissen, was sie essen«, sagte er. Und: »Jeder, der ein Glas Marmelade auf dem Markt anbietet, muss klar die Inhaltsstoffe auszeichnen. Wir Köche sollten sie auf die Speisekarte setzen. Das wäre ehrlich.«
Doch Ehrlichkeit währt in der Küche leider nicht immer am längsten. Die Missstände prangerte Santamaria in seinem Buch La cocina al desnudo ( Die nackte Küche , 2008) an. Über seine Berufskollegen, die teilweise mit der Chemieindustrie zusammenarbeiteten, urteilte er, sie würden den Gästen Menüs verkaufen, die sie selbst nie anrührten.
Damit hatte er nicht nur die Molekularköche gegen sich, sondern den gesamten eigenen Berufsstand. Kollegen sammelten Unterschriften gegen ihn, die Angesprochenen begannen eilig zu versichern, sie seien rechtschaffene Köche, die den Gästen nur das Beste auftischten. Santamarias Kritik wurde als geschäftsschädigend gesehen. »Santi hat das Huhn getötet, das goldene Eier legt«, meinte einer seiner Kollegen.
Die kulinarischen Verdienste und der Stolz auf den ersten Drei-Sterne-Koch Katalaniens waren verflogen. Fortan standen die spanische und ein Großteil der angelsächsischen Presse dem Koch feindlich gegenüber.
Santi Santamaria starb im Februar 2011 während der Eröffnung seines Lokals in Singapur an einem Herzinfarkt.
Sein Kollege Martín Berasategui kommentierte, Santi hätte »Herz und Körper der Küche geopfert«.
Am Tag nach seinem Ableben erschien auf der Website der Tageszeitung El Mundo ein besonders gehässiger Nachruf. Santamaria wäre schon vor zehn Jahren gestorben, als die Küche zur Kunst wurde, hieß es darin sinngemäß. »Kunst« schien für den Autor von »künstlich« zu kommen, denn Beiträge zur Kunst waren »Spezialitäten« aus den Schränken der Chemieindustrie.
E IN R EZEPT VON S ANTI S ANTAMARIA
Im Dampf gegarte Taube mit Rotwein
Rezept für 4 Personen
4 Tauben
16 grüne Spargel
8 kleine Zwiebeln
8 Wiesenlauch ( ajo tierno )
4 wilde Spargel
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
2 g Pfefferkörner
½ Lorbeerblatt
½ l Rotwein
½ l Wasser
1 Esslöffel Butter
2 Esslöffel Olivenöl
Die Tauben reinigen und ausnehmen. Die Brust einschneiden, ohne vom Knochen abzuheben. Die Schenkel am Knochen lassen.
In einem Topf die Knochen und die Schenkel mit Olivenöl, Zwiebel, Knoblauchzehe und Kräutern anbraten. Rotwein hinzugeben und kochen lassen, bis die Schenkel gar sind. Wasser hinzugeben, falls nötig, auf kleiner Flamme garen. Im letzten Moment salzen, pfeffern und mit etwas Butter binden.
In einer Pfanne die Taubenbrüste anbraten. Im Oberteil eines Couscoussier Spargel, geschälte Zwiebeln, Knoblauchzehen und Wiesenlauch geben, 15 Minuten garen. Sechs Minuten vor dem Servieren die Taube hinzufügen. Mit den Gemüsen einen Strauß bilden, im letzten Moment salzen.
Santi Santamaria setzte sich für authentische, naturbelassene Küche auf Basis spanischer Traditionsrezepte ein. Vielen seiner Kollegen missfiel dieser Ansatz.
14. D IE A LLIANZ VON K ÖCHEN UND I NDUSTRIE
Noch in den Achtziger- und Neunzigerjahren warben Köche mit dem Verzicht auf Zusatzstoffe für ihre Restaurants. Sie vermarkteten ihre Restaurants als »besonders natürlich«. In besseren Restaurants war alles hausgemacht.
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