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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Oliven, warmes Hummergelee – in den Archiven von Inicon findet sich vieles, was später von den »Laborköchen« aufgetischt wurde.
    Offizielle Partner des Projektes waren neben dem El Bulli in Rosas auch die Restaurants Grashoff in Bremen, Au Crocodile in Straßburg sowie The Fat Duck in Bray on Thames. Besonders die beiden letzteren Lokale praktizieren eine Küche, mit der die Inicon-Forschungsergebnisse logisch in die Speisekarte eingebunden werden können.
    Werner Mlodzianowski, Geschäftsführer des Technologie-Transfer-Zentrums in Bremerhaven und Leiter des steuerlich geförderten Projekts Inicon, bestätigt ausdrücklich, dass Küchenchefs keine Erfinder sind: »Die Techniken der sogenannten Molekulargastronomie sind in der Industrie seit Jahren und Jahrzehnten bekannt. Kein Koch hat hier irgendetwas erfunden«, sagt er. Und: »Köche sind zum ›Erfinden‹ nicht ausgestattet. Ein Labor ist eine Millioneninvestition […] Ich kenne Adriàs ›Labor‹. Dort werden Rezepte probiert. Von Analytik bis zur Lagerung ist es zur Forschung nicht geeignet […] Bei Inicon handelt es sich um ein mit öffentlichen Geldern gefördertes Projekt. Alle Forschungsergebnisse stehen deshalb der Öffentlichkeit zur Verfügung, nicht nur einzelnen Köchen. Anders würde es sich verhalten, hätte ein Partner oder Koch ein eigenes Patent eingebracht. Dies ist jedoch nicht der Fall.«
    Gäste bezahlen die Laborküche also zwei Mal: zuerst als Steuerzahler und dann als Kunde im Restaurant.
    Im Falle des Projekts Inicon wurden Steuergelder aufgewandt, damit sich einige Restaurants die Techniken der Lebensmittelindustrie aneignen konnten. »Technologie-Transfer« heißt das im EU-Jargon:

    Zur Erläuterung
Das deutsche Forschungsinstitut ttz entwickelte eine Fülle von Rezepten für Laborköche.
Grégoire-Ferrandi ist eine französische Kochschule für Profis.
Grashoff ist ein traditionelles, deutsches Restaurant in Bremen.
The Fat Duck heißt das Restaurant des britischen Kochs Heston Blumenthal.
El Bulli war das Restaurant des spanischen Kochs Ferran Adrià.
La Table d’Anvers, das Restaurant der Brüder Conticini in Paris, wurde noch während des Projektes Inicon geschlossen und verkauft.
I&S Industriemontagen hat seinen Sitz wie das ttz in Bremerhaven und war Organisationspartner von verschiedenen europäischen Projekten.
Cosmos Aromática Internacional, ein spanischer Hersteller von Aromen, betreibt Eigenwerbung: »Bei Cosmos designen wir Aromen und stellen sie her.«
Iberagar ist ein portugiesischer Hersteller von Hydrokolloiden.
Das französische Institut National de la Recherche Agronomique beschäftigt den Chemiker Hervé This, der in diversen Medien eine aggressive Promotion der Molekularküche betreibt.
Die Alpha-Tec ist eine deutsche Gesellschaft für Maschinen- und Anlagenbau.
Au Crocodile hieß damals das Restaurant des französischen Kochs Émile Jung in Straßburg. Inzwischen wurde das Haus verkauft.
    Über Herkunft und Verbleib der Industriegelder, immerhin 642   811,37 Euro, ist vonseiten der EU nichts zu erfahren. Wer hat welche Summe zum »Topf« beigetragen? Wer hat das Geld erhalten? In den offiziellen Unterlagen heißt es nur: »Von den Gesamtkosten trug die EU 46 Prozent, der Rest wurde von den Projektteilnehmern getragen.« Der Schlüsselsatz im abschließenden Prüfungsbericht eines unabhängigen Expertengremiums lautet: Die »Aktivitäten zur Verbreitung [der Ergebnisse des Projekts] sind eine echte Erfolgsgeschichte des Projekts«.
    Der italienische Physiker Davide Cassi schloss sich diesem Urteil 2011 im Fachmagazin EMBO Reports an: »Von 2003 bis 2005 hat die Europäische Union ein Projekt namens INICON finanziert […], das half, Zutaten und Techniken industrieller Lebensmitteltechnologie in Restaurantküchen zu übertragen. Das wichtigste Ergebnis dieses Projekts war die Einführung und Verbreitung von Zusatzstoffen – hauptsächlich Texturgebern – in der Welt der Haute Cuisine und gewöhnlichen Restaurants.«
    Verkauft wurden Additive fortan nun als unentbehrliches Accessoire der Kochkunst.
    Während Zusatzstoffe in industriellen Lebensmitteln deklariert werden müssen, lehnen Köche jedwede Deklaration ihrer »Helfer« ab. In Deutschland schreibt die Zusatzstoffzulassungsverordnung zwar eine vereinfachte Deklaration in Restaurants vor, doch auch sie wird von Spitzenköchen nicht beachtet.
    Und die Gourmetpresse? Sie goutierte plötzlich die Additive. Menschen, die sich trefflich über

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