Die Erfinder des guten Geschmacks
auf die Notizen der Tochter Carêmes stützen.
Zwischen Fastenzeit und Pfannenbewegung liegt der Stoff, aus dem die Träume sind:
Als jüngstes von 15 Kindern wurde der zukünftige große Koch auf den Straßen von Paris ausgesetzt. Zehn Jahre war er damals alt. Im Paris nach der Revolution war sein Schicksal nichts Ungewöhnliches, laut einem Dekret sollten Kinder zügig eine Lehre antreten. »Auch wenn mein Vater mich, um mich zu retten, auf die Straßen geworfen hat, lächelte das Glück mir bald zu und eine gute Fee nahm mich oft bei der Hand, um mich ans Ziel zu führen«, schrieb Carême später.
Das erste Ziel der guten Fee war eine simple Garküche. Die verließ Carême ein paar Jahre später, um in der Patisserie Baillyin der Pariser Rue Vivienne zu lernen. Sein Lehrherr Sylvain Bailly erkannte das Talent des Jungen und gewährte ihm etliche Freiheiten. Mal fertigte er die pompösen Torten, die vermögende Kunden bestellt hatten, mal verließ er die Patisserie, um Kupferstiche zu studieren und zu kopieren. Schnell entwickelte er eine Vorliebe für italienische Architekten des 16. Jahrhunderts. Es heißt, der junge Koch habe sich in der Bibliothek in die Werke großer Seefahrer vertieft, träumte von China, Ägypten, Indien und Griechenland. Dank seiner Zeichnungen entwickelte er immer spektakulärere Torten: Pyramiden, Pavillons, Brücken, Tempel und Ruinen schuf Carême aus Zucker und Marzipan. Diese Prachtstücke konnten geschätzte 80 Zentimeter breit und 1,5 Meter hoch sein. Ganz Paris bewunderte die essbaren Landschaften.
Später sollte er schreiben, dass es fünf schöne Künste gibt: Malerei, Bildhauerei, Poesie, Musik und die »Architektur, deren wichtigster Zweig die Patisserie ist«.
Seine nächste Station führte ihn ins Restaurant Gendron. Hier zeigte sich, dass der junge Koch hoch hinaus wollte. Carême rang seinem Arbeitgeber das Zugeständnis ab, seinen Arbeitsplatz für ein Extraordinaire verlassen zu können. So nannte man die Galadiners, die hohe Würdenträger veranstalteten. Dort konnte er die Kunden von Bailly bei großen Anlässen weiter betreuen.
Carême kochte sich nach oben, ab 1803 bei Napoleons Außenminister Talleyrand, drei Jahre später bei Murat im Élysée-Palast, wo La Guipière seiner Ausbildung den letzten Schliff verlieh. Dieser habe ihn »eine Fülle guter Sachen, die ich nur bei ihm gesehen habe« gelehrt, wozu »die Eleganz der modernen Küche« gehörte. Mehr als 20 Jahre später bezeichnete er sich in seinem Buch Le Cuisinier parisien immer noch als La Guipières »Bewunderer und Schüler«.
Sein eigenes Geschäft eröffnet Carême, als Napoleon Murat zum König von Neapel ernannte. Nach seinen Plänen wurde die Patisserie in der Rue Napoleon 21, heute Rue de la Paix, errichtet. Schließlich war er als Zuckerbäcker nach eigenem Bekenntnis auch Architekt. Doch der ganz große Erfolg blieb aus, im August 1812 wurde der Laden verkauft.
Einige Autoren glauben, Carêmes Privatleben habe dem Erfolg im Weg gestanden. Verheiratet war er mit Henriette Sophie Mahy de Chitenay; allein deren Brautgeld hatte sein eigenes Geschäft finanziert. Das Paar blieb kinderlos. Bald eroberte die 20-jährige Agathe Guichardet das Herz des Koches. Mit ihr hatte er zwei Kinder, Marie und Henri. Eine Dreiecksgeschichte, die nicht im Beziehungschaos endete: Henriette wurde zur Patin von Henri und nach Carêmes Ableben zum Vormund von Agathes Tochter Marie ernannt. Von Agathe wiederum hieß es nach ihrem Tod, sie hieß Guichardet, wurde jedoch Carême gerufen.
In seinen Büchern Le Pâtissier royal parisien (1810), Le Pâtissier pittoresque (1815) , Le Maître d’hôtel français (1822) und Le Cuisinier parisien (1828) kodifizierte der große Koch seine Version der französischen Küche. Gern trug Carême dabei ein wenig dick auf: Seine Sätze beginnen mit »Das erste Mal, als ich für … servierte«, an die Stelle der Punkte kommen die Namen der Größten seiner Zeit. Ab und an pflegte er sich »Carême de Paris« zu nennen, behauptete gar, Ludwig XVIII. hätte ihn geadelt.
Er spart nicht mit Eigenlob, schüttet aber zugleich auch ausgiebig Lob über die Kollegen aus.
Mal gibt er sich puristisch, etwa wenn er sich mit Grimod de la Reynière über die richtige Schreibweise der Mayonnaise streitet: Die Einwohner von Bayonne im Baskenland kannten nämlich eine ähnliche Mischung, die Bayonnaise . Dann gab es auch noch den Küchenchef des Herzogs von Mayenne, der im16. Jahrhundert zwei
Weitere Kostenlose Bücher