Die Erfinder des guten Geschmacks
nach dem »zweiten Fisch«; sofort brachten Diener einen ebenso prachtvollen und nicht minder riesigen Lachs an den Tisch.
Einmal bat der Diplomat seine Kollegen, den besten Käse Europas zu benennen. Natürlich stimmten alle für ein Produkt aus ihrem Heimatland. Ein ruhiger Talleyrand sandte Boten aus. Quer durch den Kontinent wurden 50 Käsesorten gesammelt. Bei der Abstimmung avancierte der französische Brie zum besten Käse Europas.
Langsam, aber sicher schaffte er es, die Mitglieder der siegreichen Koalition zu spalten. Zunächst verhandelte er ein Mitspracherecht, dann brachte er Großbritannien und Österreich auf seine Seite und isolierte schließlich Preußen und Russland. So konnte Talleyrand nicht nur Frankreichs Grenzen von 1789 erhalten, auch die Städte Avignon und Carpentras, die damals zum Vatikan gehörten, wurden Frankreich angeschlossen.
Paris war nach Napoleons Fall von russischen Truppen besetzt. Angeblich war dies die Geburtsstunde des Bistros, jener liebenswerten französischen Kleinstlokale. Wenn russische Soldaten in ein Lokal eintraten, riefen sie: bystro, bystro – »schnell, schnell!« Ein Bistro war also ein Ort zum schnellen Essen. Antonin Carême arbeitete nach dem Fall Napoleons kurz in London und nahm dann das Angebot an, für den russischen Zaren zuarbeiten. Doch die dortigen Sitten gefielen dem Meisterkoch wenig: Beim Service à la française , wie ihn Carême pflegte, wurden die Gerichte gleichzeitig aufgetragen. Der Service à la russe , wie ihn die Russen pflegten, verlangte hingegen, dass genau wie in unseren heutigen Menüs ein Gericht nach dem anderen auf den Tisch kam. Rein optisch wirkte das weniger opulent und war schon deshalb nicht nach Carêmes Geschmack. Zudem wurde am Zarenhof bei Tisch musiziert, nicht selten von einem wahren Orchester von 60 Personen, was Unterhaltungen bei Tisch erschwerte.
Antonin Carême war für die aufwendige Präsentation seiner Gerichte bekannt. Mandelpaste, Gummi Arabicum, Cochenille und Bronze aus Geschäften für Malerbedarf wurden zu Pagoden und Schlössern.
Im Jahr 1826 unterzeichnete Carême einen Vertrag über drei Monate beim Bankier James de Rothschild. Letztendlich blieb er fünf Jahre, in denen er regelmäßig prachtvolle Gastmähler arrangierte. Eine englische Lady verglich ihn mit Shakespeare, wofür er sich mit einem Gericht revanchierte, der »englischen Fischsuppe Lady Morgan« mit Barbe, Seezunge und Aal.
Gleichzeitig litt Carême an seinem Beruf, beklagte die Arbeitsbedingungen, den Befehlston, die Hitze, bei der »man kaum atmet«. Mit Ende 40 ging er in Rente und schrieb an seinem Buch L’art de la cuisine française au 19ème siècle . Das beginnt mit einem Lob auf das simple Pot au Feu, ein »Volksgericht«, aufgeschrieben von einem Koch, der stets die Bankette der Mächtigen organisierte. Der schwer kranke Carême starb am 12. Januar 1833. Beerdigt wurde er auf dem Pariser Friedhof Montmartre.
Dort endlich kam die Küche der Kunst ein wenig näher. Neben ihm ist kein Geringerer als Hector Berlioz zur ewigen Ruhe gebettet.
Carême war der beste Koch seiner Zeit, doch Mutter Toutain war die großzügigste Köchin.
Talleyrand nutzte die Festmähler Carêmes während des Wiener Kongresses zu geschickten Verhandlungen.
Kunstförderung
»18. Juni 1859. Rückkehr von Honfleur mit Courbet. Ich habe einen fantastischen Abend bei De Dreuil mit Courbet […] verbracht […] Wir haben gesungen, geschrien, so viel Krach gemacht, dass der Tag uns mit dem Glas in der Hand gefundenhat. Wir sind zurückgekommen, indem wir Lärm quer durch die Straßen gemacht haben, was wenig würdig ist, dann haben wir uns im Bett meiner armen guten Leute hingelegt. Diesen Morgen hatten wir einen schweren Kopf, was uns nicht gehindert hat, schöne Dinge zu bewundern […]«
Das schrieb Maler Eugène Boudin (1822-1898) in einem Brief. Seine »armen, guten Leute« kannten die gesamte Künstlergemeinde seiner Zeit. Es waren Mutter Toutain und ihr Gemahl, Aubergistes in Honfleur an der Küste der Normandie, einem pittoresken Fischerdorf mit rustikalen, von Fachwerkbalken durchzogenen Häusern.
Pierre-Louis Toutain hatte 1825 seine Auberge La Ferme de Toutain eröffnet. Trotz schönen Küstenblicks war die Umgebung nicht unbedingt glamourös. Neben einem Kapellchen stand hier auch ein Heim für Leprakranke. Später, im Jahr 1848, heiratete Pierre-Louis seine Catherine-Virginie, geborene Morin. Die richtete nicht nur die Zimmer gemütlich
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