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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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gegensätzlichen politischen Beteuerungen wollten auch eifrige Revolutionäre im Grunde nur eines: leben wie ein König. Sich im Restaurant servieren zu lassen, das gehörte dazu.
Koch mit Konserve
    Während für die Restaurants eine Blütezeit anbrach, experimentierte ein gewisser Nicolas Appert (1749-1841) mit ganz anderen Ideen. Das neunte Kind einer Wirtsfamilie aus Châlons-sur-Marne arbeitete zunächst als Küchenchef und Konditor. Er kochte in Deutschland für Christian IV., den Herzog von Pfalz-Zweibrücken, und später für dessen Witwe. Im Jahr 1784 eröffnete er die Pariser Confisérie La Renommée. Appert interessierte sich für Konservierungsmethoden. Er verglich das Pökeln mit dem Räuchern, dem Trocknen, den Confits, also in eigenem Fett eingelegten Fleischstücken. Er befasste sich mit der Modifizierung des Geschmacks, die durch jede Art von Konservierung auftritt, sowie mit den verbundenen Kosten.
    Im Alter von 46 Jahren erfand er die »Appertisation«. Dabei werden Lebensmittel in einem hermetisch verschlossenen Glas- oder Blechbehälter sterilisiert. Appert nutzte dicke Flaschen, die er mit Korken verschloss und in einem Wasserbad garte. Milch, Früchte, Gemüse – Appert machte alles haltbar.
    Nach der Machtergreifung Napoleons, im Jahr 1802, eröffnete er die erste Konservenfabrik. Die französische Marine wurde sein Kunde. General Caffarelli, Marinepräfekt in Brest, beurteilte 1803 die Qualität der Speisen: »Die nach dem Prozess des Bürgers Appert präparierten Nahrungsmittel […] zeigten sich in folgendem Zustand nach drei Monaten auf dem Meer: die Bouillon in Flaschen war gut; die Bouillon mit Brei, in einem speziellen Gefäß, war auch gut, aber schwach; der Brei selbst sehr essbar. Die Bohnen und Erbsen […] hatten alle Frische und den angenehmen Geschmack frisch gepflückten Gemüses.«
    Vor die Wahl gestellt, seine Erfindung zu patentieren oder einen Preis des Innenministers zu erhalten und seine Entdeckungen selbst zu publizieren, entschied Appert sich gegen das Patent und damit gegen sichere Einnahmen. Im Jahr 1810 erhielt er 12   000 Francs und veröffentlichte L’Art de conserver pendant plusieurs années toutes les substances animales et végétales .
    Doch die Engländer imitierten seine Technik, verfeinerten sie, nutzten stabile und günstige Weißblechdosen statt Glas. Diese Konkurrenz ruinierte Appert. Ein Jahr vor seinem Tod verkaufte er sein Unternehmen an einen Herrn namens Prieur. Mit 92 Jahren starb er verarmt in Massy bei Paris und wurde im Gemeinschaftsfriedhof verscharrt.
    Der ehemalige Koch Nicolas Appert wollte die Lebensmittelversorgung seiner Zeitgenossen sichern und verzichtete dafür auf ein Vermögen. Selbst die Briten gaben ihm den Ehrentitel »Wohltäter der Menschheit«.
    Mit seiner Entdeckung hatte der Wohltäter den Grundstein für die industrielle Massenproduktion von Lebensmitteln gelegt.

5. D ER A UFSTIEG DER FRANZÖSISCHEN K ÜCHE
    Am 21. Januar 1793 wurde Ludwig XVI. auf der heutigen Place de la Concorde exekutiert. Zahllose weitere Hinrichtungen folgten während des Terreur , der »Schreckensherrschaft«, bis im Jahr 1794 auch der Revolutionär Robespierre der Guilloutine zum Opfer fiel. Die Anzahl der Todesopfer der Revolution ist kaum zu schätzen: Einige Quellen sprechen von wenigen Zehntausenden, andere von mehreren Hunderttausenden.
    Die Deklaration der Menschrechte, die Einführung von Wahlen, die Abschaffung der Sklaverei (die 1802 unter Napoleon in Guadeloupe wieder eingeführt wurde) – das war die Revolution. Gleichzeitig stand sie für Bürgerkrieg, den Schrecken der Guilloutine, den permanenten Krieg gegen das royalistische Rest-Europa und Diktatur. Gewinner der Revolution war letztlich die Bourgeoisie, denn das viel zitierte »einfache Volk« wurde mit schönen Worten abgespeist. Regelmäßig wurden Land, Klöster, Herrensitze und Wälder aus dem Eigentum der Krone, der Kirche und des Adels als »nationales Gut« verkauft und versteigert. Wer sie erwerben wollte, brauchte Geld. Kunden fanden sich nur im Großbürgertum, das über einen ausgezeichneten Geschäftssinn verfügte.
    Im postrevolutionären Paris drehte sich die Stimmung rasch. Nach den Schrecken der Revolution hungerte der vermögendereTeil der Bevölkerung jetzt nach Freuden. Bemerkbar machte sich dies zunächst einmal durch eine neue Mode: Die eleganten Herren, erkennbar am langen Haar, am groß dimensionierten Chapeau claque, noch größeren Revers und eng

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