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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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germinal , ausgab. Ein effektives Steuersystem mit strengen Kontrollen wurde eingeführt. Um die französische Produktion zu fördern, verbot Napoleon Importe aus England. Gewinner dieser Maßnahme war die Baumwolle verarbeitende Industrie, denn Frankreichs Armeen benötigten Uniformen – und deren Stoffe kamen nun nicht mehr aus England, sondern von einheimischen Webern.
    Nach einer französischen Legende soll Napoleon sogar das Baguette erfunden haben. Seine Soldaten sollten mobiler werden, keine Brotlaiber mehr als Proviant mitschleppen. Ein Stangenbrot konnte man gut in die Hose stecken […] Das ist natürlich zu gut erfunden, um wahr zu sein: Bisher hat niemand französische Hosen mit Baguettetaschen gesehen.
Koch des Kaisers
    Was tun, wenn man als Koch einen Arbeitgeber hat, der Essen als Zeitverlust betrachtet? La Guipière hatte einen solchen Arbeitgeber, und der hieß Napoleon Bonaparte.
    In seiner Jugend arbeitete der Koch wohl bei König Ludwig XVI. als Patissier, dann folgte eine lange Episode in der Feldküche von Vize-Admiral Charles-Henri D’Estaing. Der brach 1778 auf, um den Amerikanern französische Hilfe im Kampf um Unabhängigkeit zu leisten. Seine Bilanz war, freundlich gesagt, eher durchwachsen, zwei Jahre später kehrte der Vize-Admiral mitsamt Küchenchef nach Frankreich zurück. Dort herrschte gerade Revolution. Charles-Henri D’Estaing wurde zum Admiral ernannt, verteidigte im Prozess gegen Marie Antoinette die Königin und landete letztendlich 1794 selbst unter der Guilloutine.
    Sein Küchenchef jedoch wurde prompt vom Finanzier Destillières, einem Freund des Diplomaten Talleyrand, engagiert. Wenig später stand er schon in Diensten Napoleons. Manche sagen, General Duroc hätte ihn engagiert, andere behaupten, Napoleons Frau Joséphine hätte ihn angestellt. Doch lange blieb der große Koch nicht in Diensten des großen Korsen. Napoleon schätzte das Essen nicht, sah zeremonielle Gastmähler allenfalls als Teil der Diplomatie. Und für die war Talleyrand zuständig.
    La Guipière wechselte zu seiner Schwester Caroline und deren Mann Joachim Murat, organisierte legendäre Gastmähler im heutigen Élysée-Palast. Als Napoleon Murat 1808 zum König von Neapel bestellte, reisten der Küchenchef und seine Brigade mit. Eine Treue, die ihm später zum Verhängnis werden sollte, denn La Guipière begleitete Murat auch auf Napoleons verhängnisvollem Russland-Feldzug. Er starb 1812 in Polen.
    Fast alles, was wir über La Guipière wissen, verdanken wir seinem prominentesten Schüler, Marie-Antoine Carême, der bei ihm als Patissier arbeitete: »Ich war glücklich genug, zwei Jahre lang die erste Hilfe von Laguipierre gewesen zu sein«, schrieb er und schilderte 1828 in Le Cuisinier parisien sogar das Ableben seines Lehrherren. Mit erfrorenen Händen und Füßen hätte er hinter der Kutsche Murats gesessen, der nichts unversucht ließ, um seinen Koch zu retten. Angesichts des zeitlichen Abstandes ist diese Schilderung wahrscheinlich in den Bereich der Dichtkunst zu verweisen. Durchaus reell sind jedoch die von Carême überlieferten Rezepte seines Meisters. Er war schließlich selbst in seinen Küchen zugegen und hatte gesehen, wie La Guipière die Speisen zubereitete. Aus der harten Schule von La Guipière ging so der überragende Koch seiner Zeit hervor.
    Zu den Opfern von Napoleons Russlandfeldzug soll auch Koch La Guipière, der Lehrmeister des berühmten Antonin Carême, gehört haben.
Carême: Kaiser der Köche
    Starköche sind kein Produkt unserer Zeit. Die erste Welle der Heldenverehrung am Herd entstand im 19. Jahrhundert. Keiner war damals größer als Marie-Antoine (genannt Antonin) Carême (1784-1833). So groß, dass sein Leben, oder das, was zeitgenössische Chronisten darüber berichten, wie eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit klingt. Das fängt beim Namen an: Carême steht im Französischen für die Fastenzeit. Wer so heißt, ist doch prädestiniert für den Kochberuf. Und natürlich hört die Legende bei seinen angeblich letzten Worten auf:
    »Gestern waren die Seezungenklöße sehr gut, aber dein Fisch war nicht gut«, sagte er zu einem seiner Lieblingsschüler. »Du würzt nicht gut. Du weißt doch, dass man die Pfanne schwenken muss.« Der Meister schwenkte noch einmal die rechte Hand, genauso, wie er es von seinen Schülern verlangte. Eine halbe Stunde später hauchte er sein Leben aus. Immerhin: Charles-Frédéric Foyot, der diese Geschichte überlieferte, konnte sich

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