Die Erfinder des guten Geschmacks
Lieferanten an: Noch 1999 wurden die Küchenchefs Christian Constant, Philippe Husser, Jean-Claude Lhonneur, Manuel Martinez, Marcel Le Faou, Philippe Renard und Guy Legay, damals Küchenchef des Ritz, wegen »passiver Korruption« zu Geldstrafen verurteilt.
Ritz jedenfalls hatte seinen Pariser Prachtbau 1896 als »Summum von Eleganz, Hygiene, Effizienz und Schönheit« geplant. Der Schweizer Hotelier, der während seiner Lehre so viel Geschirr zerbrach, dass sein Chef ihm riet, schleunigst den Beruf zu wechseln, wollte den Komfort des Londoner Savoy nach Paris bringen, ihn nach Möglichkeit noch übertreffen. Der 46-jährige César verlieh dem neuen Hotel, einem ehemaligen Bankhaus an der Place Vendôme 15, in aller Bescheidenheit seinen eigenenNamen und machte es zum modernsten seiner Zeit: Alle Zimmer wurden mit elektrischem Licht erleuchtet, später kamen sogar private Bäder hinzu. Eine Neuerung, die das Misstrauen von Oscar Wilde erregte: »Wer braucht schon ein Lavabo mit fließend Wasser […] Ich klingele einfach, um Wasser zu bekommen, wenn ich es brauche.«
César Ritz war der festen Überzeugung, sein Haus müsse, um zahlungskräftige Herren anzulocken, besonders den Damen in ihrer Begleitung gefallen: Zusammen mit seiner Frau erprobte er die Wirkung diverser Bademäntel auf den weiblichen Teint, um schließlich ein apricotfarbenes Modell zu wählen, das heute noch in jedem Zimmer hängt. Elektrisches Licht empfand der Hotelier ebenfalls als schädlich für die Schönheit: Im Ritz wird die Leuchtkraft der Nachttischlampen bis heute durch einen zweiten, inneren Lampenschirm aus rosa Seide abgemildert. Im Speisesaal wurde jeder zweite Stuhl mit einem kleinen Tragehaken für Handtaschen nachgerüstet.
Mit seiner Detailbesessenheit siegte César 1898 an der Place Vendôme, bereits nach wenigen Monaten war das Hotel der Liebling der gehobenen Gesellschaft: »Wohin Ritz auch geht, wir folgen ihm«, sagte der Prince of Wales. Der Zar, der Schah, der Maharadscha von Kapurthala […] der Strom der Berühmtheiten riss nicht ab. Marcel Proust etwa empfing seine Freunde mitten in der Nacht in einem Privatsalon – sein letzter Wunsch auf dem Sterbebett war, soll dessen Haushälterin Céleste Alberet überliefert haben, »ein frisches Bier vom Ritz«.
Escoffier kehrte bald nach London zurück, wo er die Küchen des Carlton eröffnete. Neben Rezepten wie Foie gras mit Portwein, Rebhuhnsoufflé mit Trüffeln und Froschschenkel in Weißweingelee mit Paprika, die er als »Nymphenschenkel im Morgengrauen« bezeichnete, verdankt die Welt dem Autor des Guide Culinaire auch den heutigen Eisdielenklassiker »Pfirsich Melba«. Nelly Melba war eine berühmte Cantatrice der Jahrhundertwende, bekannt für ihre Wagner-Interpretationen. Während die Dame im Covent Garden in London sang, schwappte eine wahre Melba-Mania durch die City: Melba-Frisuren, Melba-Handschuhe […] Praktischerweise befand sich der Pfirsich schon auf Escoffiers Londoner Karte, als Pfirsich Cardinal mit Himbeercoulis. Als Melba zu Gast war, ließ Escoffier ihr Pfirsiche mit Vanillecreme und besagtem Coulis auf den Schwingen eines Schwans aus Eis servieren. Eine Hommage an Lohengrin. Exit Cardinal, Vorhang auf für Pfirsich Melba. Irgendwann verschwand der Schwan, später kamen die Pfirsiche nur noch aus der Dose.
1904 gestaltete Escoffier die Küchen für die Schiffe der deutschen Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz: Hamburg-Amerika-Linie. Zwei Jahre später, am 19.2.1906, traf er an Bord der »Amerika« Kaiser Wilhelm II., der ihn wie gesagt den »Kaiser der Küche« nannte.
Die Anekdote ist Bestandteil seiner Legende. Nicht in den legendären Bereich schaffte es die Tatsache, dass der gläubige Katholik Escoffier stets die Reste aus Savoy und Carlton einem Nonnenkloster übergab, damit sie an die Armen verteilt werden konnten.
Escoffier gehörte zu den wenigen großen Köchen, die sich auch um die Ernährung im Alltag kümmerten. Er schrieb ein Buch mit 120 Reisrezepten sowie ein Sparkochbuch zum Stockfisch: Le riz, l’aliment le meilleur, le plus nutritif und La vie à bon marché . Eine kurze Zeit lang arbeitete er mit Julius Maggi zusammen, dem Erfinder des Suppenwürfels. Laut seinem Biografen Kenneth James war die Zusammenarbeit eher auf Neugierde denn auf Profitstreben begründet.
Und nicht zuletzt hat er sich für den Berufsstand der Köche als solchen eingesetzt: Escoffier verfeinerte nicht nur die Aufgabenteilung
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