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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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dass sich ein Verlagshaus, welches mit Enzyklopädien und Schulbüchern groß geworden war, dem Thema Küche widmete.
    Ursprünglich wollte der junge Prosper freilich weder einen Kochlöffel halten noch ein Küchenlexikon schreiben. Malerei und Architektur hatten es ihm angetan. Sein Vater, ein Händler aus Carcassonne, schickte ihn zur Kochlehre ins Hotel Quatre Saisons nach Toulouse. Dort richtete sich Prosper prompt ein kleines Maleratelier ein. Montagné senior war jetzt ernsthaft sauer und schickte den Jungen ins Hôtel d’Angleterre in Cauterets in den Pyrenäen. Das war um die Jahrhundertwende ein Haus der Superlative, mit 300 Zimmern, hydraulischem Aufzug sowie prominenten Gästen, darunter leibhaftige gekrönte Häupter. Besser noch: Alphonse Meillon, ehemaliger Koch des russischen Zaren, leitete die Küche und war, nebenbei erwähnt, ein Cousin von Monsieur Montagné.
    In derart guter Gesellschaft entflammte Prosper für die Grande Cuisine. Ein Vierteljahrhundert lang arbeitete er mit großen Köchen, wurde »Nummer zwei« an der Seite von Prosper Salles im Hôtel de Paris in Monaco, bevor er als Küchenchef drei berühmte Pariser Häuser nacheinander leitete: den Pavillon d’Armenonville, Ledoyen und das Grand Hôtel. Er blieb bis 1907, wurde Kochbuchautor, commissaire général der kulinarischen Messen der Stadt Paris, schrieb Kolumnen, wobei ihm die Qualität der Zutaten und die Authentizität der Aromen wichtig war. Für die Armee schrieb er drei Kochbücher. Ähnlich wie Soyer während des Krim-Krieges wollte Montagné im Ersten Weltkrieg das Leben der Soldaten erleichtern. Er gründete eine Schule der Militärküche und konzipierte eine rollende Feldküche für die Schützengräben.
    Im Jahr 1920 realisierte er den Traum vieler Köche und eröffnete ein kleines Restaurant für gerade einmal 30 Gäste.Schnell kam das kleine Lokal mit dem einfachen Namen Prosper Montagné zu Ruhm und Ehren, große Köche wie Auguste Escoffier dinierten hier, Curnonsky, der damals größte Restaurantkritiker, schaute vorbei. Montagné war glücklich. Nicht nur war sein Restaurant erfolgreich, er hatte sich auch in eine Tänzerin aus einem Cabaret verliebt. Der 30 Jahre jüngeren Dame schenkte er ein Häuschen im westlichen Pariser Vorort Sèvres. Doch mit nur wenigen Gästen konnte Montagné kein Vermögen anhäufen. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen ihn zur Schließung des Lokals. Mit 65 Jahren schrieb er die erste Zeile seines opus magnum  – es ist der schon erwähnte Larousse Gastronomique . Escoffier soll ihm später vorgeworfen haben, allzu großzügig Rezepte aus seinem Guide Culinaire ausgeborgt zu haben. Freunde halfen ihm, während der jahrelangen Arbeit am Larousse finanziell über die Runden zu kommen. Einer bot ihm eine Stelle als kulinarischer Berater eines erfolgreichen Pariser Lokals namens La Reine Pedauque an, ein anderer stellte ihm eine Wohnung zur Verfügung. Bis zu seinem Lebensende besuchte Montagné seine Freundin in Sèvres, wo er am 22. April 1948 starb.
    Zwei Jahre später gründete sein Freund René Morand, der Mann, der ihm die Wohnung überließ, den kulinarischen Club Prosper Montagné. Noch heute kümmert sich der Club um gutes Essen und Trinken gemäß der Devise des Meisters: »Gutes kann nur aus sehr Gutem entstehen.« Bäcker und Fachmetzger für Wurstwaren ( charcutiers ) erhalten vom Club das Gütesiegel »Maison de qualité«, junge Köche werden in einem Wettbewerb ausgezeichnet.
Der Anti-Escoffier
    Escoffier hatte die französische Küche leicht entschlackt und behutsam modernisiert. Doch nicht jeder teilte seine Küchenideen. Jungen Köchen gab Edouard Nignon (1865-1934) gegen Ende seines Lebens ein paar Leitsätze mit auf den Weg:
    »Geht nicht den ausgeschlagenen Pfad […] studiert, sucht […] seid kreativ.« Und: »Reist, wie ich gereist bin, und ich hätte noch mehr reisen wollen.«
    Trotz seines uneingeschränkten Ja zur Kreativität – im Gegensatz zu Escoffier, der seine Küche im Guide Culinaire katalogisierte – wollte Nignon keine Kreativität um jeden Preis. Er mochte keine »brutalen Saucen« und »wütende Gewürze«, keine Marinaden und keine Aperitifs, die seiner Meinung nach Gift waren. Auch das einfachste Gericht, ein Pot au Feu oder ein Hammelragout, konnte ein Kunstwerk sein.
    Nignon war stets ein aufmerksamer Beobachter: »Wir nehmen uns nicht mehr die Zeit zu essen […] Wir leben mit der Uhr in der Hand: Die Mahlzeit ist kein Moment des

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