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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Christian Millau: Die beiden Kollegen von Paris Presse hatten sich zunächst mit den Guides Julliard einen Namen erschrieben, die im selben Verlag wie die Bücher von Françoise Sagan erschienen:
    Dieser Restaurantführer war frisch, wortgewaltig, benotete Köche wie französische Schüler mit Noten zwischen 0 und 20 und schreckte vor teils harter Kritik nicht zurück. Hier wurde nicht mehr »gekocht, wie der Vogel singt«, hier hagelte es Schelte, Wortspiele und manchmal Häme.
    In der Ausgabe von 1970 heißt es zum Lokal Au Mouton de Panurge: »Gehässiges Lachen, Gardegesänge und unnachahmliche Obszönitäten gehören zu unserem Kulturerbe. Schon deshalb ist es wichtig, dass Ihre Kinder diesen Ort kennenlernen.«
    Und zur Rôtisserie Périgourdine: »Wir werden über dieses Lokal nie wieder schlecht reden: Dies ist das schlechteste Restaurant von Paris, dies ist das schlechteste Restaurant von Paris […] Dies ist das schlechteste […] Dies ist […] dies ist das beste Lokal von Paris, dies ist das beste Lokal von Paris […]«
    Das Lokal bekam die Note: 4/20.
    Nicht wirklich gut gegessen hatten die Autoren auch im La Méditerranée in der Pariser Place de l’Odéon: »Die Teppiche sind immer noch verdreckt, der Fisch im Kühlschrank vergessen, Schokoladenmousse wird mit Stärkemehl vollgestopft.«
    Mit dem eigenen Guide kam dann der große Erfolg, der Gault und Millau bis ins ferne Amerika auf die Titelseiten der Wochenzeitungen katapultierte. Der Michelin , so hieß es, sei das »alte Testament«, der Gault-Millau das neue. Nebenbei soll dieses alte kulinarische Testament sogar einem Koch das Leben gekostet haben: Alain Zick vom Relais de Porquerolles in der Rue Eperon 12 in Paris hatte zwei Sterne und verübte nach einer Abwertung im Jahr 1966 Selbstmord. Sein Bruder Remy nannte gegenüber den Journalisten des New Yorker ausdrücklich den Sterneverlust als Ursache.
    Im Jahr 1973 gelang Gault und Millau ein weiterer großer Wurf. In ihrem Magazin veröffentlichten sie die »zehn Gebote der Nouvelle Cuisine«, als da wären:

    Du sollst nicht zu stark garen.
    Du nutzt gute, frische Zutaten.
    Du kürzt deine Karte.
    Du seist nicht systematisch Modernist.
    Du suchst dennoch danach, was dir neue Techniken bringen können.
    Du vermeidest das Marinieren, das Abhängen und die Gärung.
    Du entsorgst reichhaltige Saucen.
    Du ignorierst die Ernährungslehre nicht.
    Du verfälschst die Präsentation (der Gerichte) nicht.
    Du seist erfinderisch.
    Wahrscheinlich war die Nouvelle Cuisine eine Hommage an die Nouvelle Vague der französischen Cineasten der Fünfzigerjahre. So zumindest erzählt es Paul Bocuse und lästert, die beiden Autoren hätten sich erst ein paar Jahre zuvor bei ihm mit grünen Bohnen al dente, Olivenöl und Zwiebeln »kulinarisch entjungfern« lassen.
    Ein Teil der Gebote wurde von den Köchen eher wie ein Menü aufgefasst. Man kann sie auswählen, muss sie aber nicht alle haben. Ernährungslehre? Man speist doch im Restaurant, um zu feiern, leichtere Gerichte lassen sich im Übrigen auch durch kleinere Portionen erreichen, die ja auch Geld sparen. Präsentationen nicht verfälschen? Die Saucenmaler und Zuckerdrechsler, die noch einen Schnittlauchhalm himmelwärts drapieren konnten, verfälschten die Präsentation zweimal am Tag.
    Das Gebot, erfinderisch ( inventif in der Originalfassung, nicht créatif ) sein zu müssen, wurde zur Ausrede, jedes neue Gericht zur einmaligen Schöpfung zu (v-)erklären.
    Und dennoch: Kritiker und Köche hatten sich – wieder einmal – der Strategie von Menon und Marin bemächtigt, um sich gegenseitig ins Gespräch zu bringen: Es gibt eine neueKüche, diese neue Küche ist der alten überlegen, kreativer, auf der Ernährungslehre aufgebaut und, dank des Verbots der Verfälschung, dieses Mal sogar ehrlicher.
    Die Lehre von der Nouvelle Cuisine traf auf ein Publikum, das die alte nie erlebt hatte. In Frankreich herrschten die Trente Glorieuses , die dreißig glorreichen Jahre, mit scheinbar nicht zu bremsendem Wirtschaftswachstum. Das eigene Auto, der Urlaub im Süden, der Besuch im Spitzenrestaurant, alles schien möglich. Die neuen Kunden holten sich ihre Restauranttipps bei Gault und Millau, zwei Leuten im selben Alter wie die neuen Gäste, kulinarisch erfahren und, besonders im Falle von Millau, charismatisch und eloquent.
    Außerdem hatte die »neue Küche« potente Fürsprecher. Der wortgewaltigste von allen war natürlich Paul Bocuse (*1926).
Monsieur Paul
    Er

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