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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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allerbesten sein«, sagte Frédy Girardet später.
    Drei Monate hielt er die Lehre zum Typografen aus, aber er fühlte sich unglücklich und nicht an seinem Platz. Dann hatte der Vater ein Einsehen und ließ Frédy an seiner Seite im Restaurant arbeiten. Ein dreifacher Glücksfall: Erstens wäre ohne Girardet die kulinarische Welt beträchtlich ärmer. Zweitens hätten seine Eleven andere Lehrmeister gehabt, und wer weiß, was dann aus ihnen geworden wäre. Drittens gab es ein paar Jahrzehnte später kaum noch Typografen, der Weg in die spätere Arbeitslosigkeit wäre vorprogrammiert gewesen.
    Der 15-jährige Frédy wollte kein Vatersöhnchen sein: Als in der Brasserie du Grand Chêne eine Lehrstelle frei wurde, stürzte er sich in die Arbeit. Die Küche war schnell sein Element. 1953 verließ sein Vater den komfortablen Chefposten und mietete eine simple Kneipe im Erdgeschoss des Rathauses von Crissier, ausgestattet mit Linoleumboden, Holzimitat und Plastiktaschen. In der Küche gab es nicht einmal einen Kühlschrank, dazu fehlte es an Geld. Serviert wurden simple, rustikale Tagesgerichte für 2,8 Schweizer Franken.
    Der junge Fredy Girardet mit seiner Frau und seiner Mutter vor dem Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier bei Lausanne.
    Als der Vater zwölf Jahre später an Kehlkopfkrebs starb,übernahm Frédy den Laden. Mit einem Winzer aus Pommard im Burgund besuchte er 1968 die Restaurants von Paul Bocuse und den Brüdern Troisgros. Dort gewann er Geschmack an der großen Küche. Ein knappes Jahr später verkaufte das Rathaus die Eckkneipe an Frédy, der, endlich sein eigener Herr, behutsam den Saal renovierte und in einem Nebenraum eine »Gourmet-Ecke« einrichtete. Mundpropaganda war die beste Werbung. Auch in Schweizer Guides wie dem La Suisse gourmande stieg er rasch auf. Doch einen »Michelin Schweiz«, der internationale Anerkennung hätte bringen können, gab es damals noch nicht.
    André Guillot, Küchenchef des Vieux Marly bei Paris, insistierte gleich mehrfach gegenüber Großkritiker Christian Millau: In der Schweiz gäbe es einen fantastischen Jungkoch zu entdecken, da wäre es doch ideal, wenn er, Millau, als Ersterüber ihn berichten würde. Doch einen Pariser nach Lausanne zu bewegen, das war gar nicht so einfach. Erst kam Millau, dann 20 französische Spitzenköche, darunter Bocuse und Troisgros, denen Girardet sein Trüffelsoufflé servierte. Paul Bocuse höchstselbst lud ihn ein, auf einer Kreuzfahrt zusammen mit ein paar Freunden für 400 Gäste zu kochen.
    Michel Guérard und Gaston Lenôtre staunten über den Newcomer, der bestens vorbereitet in der Kombüse eintraf. Girardet hatte nicht nur Rezeptideen mitgebracht, sondern diese sofort an die Gegebenheiten an Bord angepasst. Sein Hummerfeuilleté wurde zum Beispiel im Brotofen gegart. Nach drei Tagen auf See war »der Neue« in den Club der großen Köche aufgenommen.
    Fortan regnete es Auszeichnungen für das kleine Restaurant. Die Kneipe schloss Girardet erst 1975, da war er schon ein etablierter Spitzenkoch.
    Er servierte Pfännchen von Belon-Austern mit Möhren, Lauch und Knollensellerie in einer Champagner-Austern-Reduktion. Die Kalbsnieren im eigenen Fett, mit Butter übergossen, die sein Vater einst für Bolo Pacha zubereitete, schmückten seine Karte. Kanincheninnereien mit Morcheln, Trüffel-Karden-Pfännchen und Passionsfruchtsoufflé wurden zu seinen Wahrzeichen, ebenso wie die hausgemachte Kaninchenwurst mit Pistazien. Girardets Rezepte lasen sich einfach. Sie wirkten einfach. Nur bekam (und bekommt) kaum ein anderer Koch solch einen Wohlgeschmack hin. Sein Küchenkollege Joël Robuchon beschrieb es mit folgenden Worten: »Frédy Girardet ist der größte der großen Köche unseres Planeten, Autor einer intelligenten, spontanen und dennoch überlegten Küche, realisiert nahe der Perfektion, versteckt hinter scheinbarer Einfachheit.«
    Im Restaurant de l’Hôtel de Ville konzentrierten sich Koch und Gäste stets auf das Essen. Das Ambiente war vergleichsweiseschlicht: weiße Vorhänge, weiße Tischdecken, rötlicher Teppich. Der Service lief ohne Spektakel ab, Geflügel wurde jedoch im Saal zerteilt. Girardet beugte sich der Pflicht zur Saalrunde, begrüßte die Gäste, heischte aber nie nach Komplimenten.
    Für die kulinarische Schweiz war der Aufstieg des jungen Kochs eine Wachablösung: Ernesto Schlegel vom Schweizerhof in Bern (bei dem 1971 auch der Deutsche Dieter Müller lernte) galt zuvor als bester Küchenchef des

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