Die Erfinder des guten Geschmacks
Landes.
Französische Spitzenköche wie Claude Deligne (Taillevent), Troisgros, Lorrain und Blanc schickten ihre Söhne zu ihm in die Lehre. Selbst in Japan gibt es (mit Mikuni in Tokio und Kitamura in Nagoya) Girardet-Schüler.
Über den Titel »Koch des Jahrhunderts«, 1989 vom Gault Millau verliehen, witzelte er noch: »Koch des Jahres hätte es auch getan.«
Eine weitere Neuerung führte Girardet gegen Ende seiner Karriere ein: Das Restaurant de l’Hôtel de Ville wurde nicht an Familienmitglieder vererbt, sondern dem verdientesten Schüler anvertraut. Entsprechend übernahm 1996 Philippe Rochat das Lokal, weil man »sich in so ein Geschäft stürzen muss, solange man noch jung ist«, wie Girardet es ausdrückte. Rochat reifte selbst zum großen Koch und wurde zum Meister in der Kunst des Weglassens: Gerade die einfachsten Gerichte, wie der grüne Spargel mit Kaviar oder die gebratene Ente, bei Tisch tranchiert, gehörten zu den Klassikern des Hauses.
Die viel beschworene Kreativität in der Küche lässt sich eben nur schwer definieren: Manch spektakulär wirkendes Gericht begeistert die Gäste ein paar Wochen lang, während die Erinnerung an etliche scheinbar simple Genüsse Genießer noch Jahre später ins Schwärmen bringt. Große Küche ist nicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt sondern wenn es nichts gibt, wasman weglassen kann. Nach dieser Devise wurde in Crissier von Girardet und Rochat gekocht. Der Rummel um ihre Person war beiden immer leicht suspekt.
»Wir haben doch einfach nur unseren Beruf mit Leidenschaft ausgeübt«, pflegten und pflegen sie zu sagen. Inzwischen hat Philippe Rochat das legendäre Lokal an Benoît Violier übergeben. Auch er war der verdienteste Schüler.
Der Lehrmeister Spaniens
Girardet war ein Ausnahmetalent. Doch allein blieb er nicht. Luis Irizar Zamora (*1930) war der Sohn eines Abenteurers. Seinen Vater verschlug es in den Zwanzigerjahren nach Havanna. Angeblich hatte er bei einer Schlägerei im Hafen zu kräftig zugelangt. Die Heimat San Sebastián im Baskenland zu verlassen, lag daher nahe, schließlich sind Basken nicht unbedingt dafür bekannt, nach solchen Zwischenfällen freudig die andere Wange hinzuhalten. Als waschechter Baske traf er in Havanna natürlich auf eine andere Baskin. So wurde der kleine Luis 1930 in Kuba geboren. Als er vier Jahre alt war, kehrten seine Eltern nach San Sebastián zurück und eröffneten dort das Hotel Buenavista.
Luis lernte das Kochen zu Hause und bei einer der ersten Adressen: dem Hotel Maria Cristina. Mit 21 brannte er darauf, die Welt jenseits des Baskenlandes kennenzulernen, arbeitete im Royal Monceau und im California in Paris sowie im Hilton in London. In seiner Freizeit paukte er Fremdsprachen. »Ich wollte lernen, immer lernen«, vertraute er 2012 der baskischen Regionalzeitung an. »Wenn man mir sagt, dass ich der Erfinder der neuen baskischen Küche bin, sage ich, dass ich nur angepasst habe, was in Donostia-San Sebastián in den Jahren 1940 bis 1960existierte. Zu dieser Zeit gab es eine Menge sehr talentierter französischer Köche in der Stadt, wegen der Casinos. Die französische Küche war sehr berühmt. Ich lernte ihre Grundlagen und passte sie an unsere spezifischen Zutaten an.«
Seit 1967 wollte Irizar junge Köche unterrichten. Im Hotel Euromar in Zarautz, wo er damals am Herd stand, richtete er eine erste Kochschule ein, in der es eine rituelle Begrüßung für die Eleven gab: »Wenn ihr kommt, um einen Beruf zu lernen, dann seid ihr hier falsch. Kommt, weil ihr die besten sein wollt«, pflegte er zu sagen.
Pedro Subijana vom Restaurant Akelaŕe, sein erster Schüler, ist stolz auf seinen Lehrmeister: »Wir verdanken ihm alle eine Menge. Er versteht es, junge Leute mit dem Virus der Küche anzustecken.«
Mit 62, in einem Alter, in dem andere ihre Rente planen, eröffnete Irizar eine zweite Kochschule in San Sebastián. Heute kommen die Eleven aus Korea, Japan, den USA oder Südamerika. Alle schwärmen davon, wie der Name Irizar ihnen den Weg zum ersten Job geebnet hat.
Irizar, der über 60 Jahre Küche selbst erlebt hat, freut sich, dass der Beruf des Koches inzwischen anerkannt ist und sich die Arbeitsbedingungen kontinuierlich verbessert haben. Wie alle Mitglieder seiner Generation kannte er noch Holz- und Kohleöfen, bevor Elektrizität, Gas und schließlich Induktionsherde in den Küchen Einzug hielten.
Weniger zufrieden ist er mit der »Molekularküche«, die in Spanien seit dem Jahr 2000
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