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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Simplifizierung wirtschaftliche Gründe, was er an Saucenfonds verdeutlicht: »Die Waren haben derart hohe Preise erreicht, dass es in unserer Zeit nicht mehr möglich ist, Fonds, wie ich sie […] beschrieben habe, zuzubereiten.« Er, der noch Trüffelessenz aus 500 Gramm tuber melanosporum (schwarze Trüffel), ¼ Liter altem Sherry und einer halben Flasche alten Portweins reduzierte, schlug den jungen Köchen »Fonds aus günstigen Zutaten« vor.
    Gleichzeitig betrachtete er die »neue Küche« durchaus mit Wohlwollen, freute sich über den Enthusiasmus der jungen Kollegen, die Saucen ohne Fett und Mehl (die er selbst schon zubereitete, als sie nicht in Mode waren) und das generelle Interesse, das die Küche fortan weckte.
    Was wäre, wenn alle auf ihre Art recht hätten? Im Schatten von Guérard begannen Köche zu experimentieren. Claude Peyrot etwa servierte damals Austern in Curry, was als revolutionär galt, jedoch auch Klassiker wie Rindskotelett mit Schalotten und Feuilleté von Kalbsbries, Krebsen und Morcheln. Man durfte alles, doch man musste nichts mehr. Das Pflichtprogramm (Trüffel, Foie gras, Seezunge) wurde gekürzt, die Kür erweitert.
    Dank des Wirtschaftsaufschwungs verjüngte sich die Klientel: »Die Leser von Gault und Millaus Monatsblatt sind zur Hälfte unter 34, davon 26 Prozent leitende Angestellte und20 Prozent Facharbeiter«, berichtete Der Spiegel 1974. Junge Alt-Achtundsechziger, die, zu Kaufkraft gekommen, revolutionäres Gedankengut in Speisesälen auslebten, wo Hummergerichte wie Lammragout heißen durften.
    Durch den allgemeinen Enthusiasmus für die »neue Küche« wurden immer mehr Küchenchefs zu Unternehmern. Die waren, wie Guillot anmerkt, natürlich wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Sparmaßnahmen lassen sich leicht rechtfertigen, wenn man sie als große Kreation ausgibt. Zügig entwickelten die »neuen« Küchenchefs zudem einen Sinn für Selbstvermarktung an allen Fronten: Bocuse zog schon Ende der Siebzigerjahre mit Dosenkost in französische Supermärkte ein, der geniale Michel Guérard arbeitete für Nestlé und stapelte Dosen mit seinen Gerichten in den comptoirs gourmands . Weinflaschen wurden von den Namen großer Köche geziert, Konfitüren und Saucen ohnehin. Deren Qualität war geeignet, die Rolle der Köche als Lordsiegelbewahrer des guten Geschmacks infrage zu stellen.
    Die verbale Rechtfertigung für derartige kulinarische Missetaten fand Paul Bocuse: Die Dosenkost sei das Prêt-à-porter der großen Köche. Doch wo ein halbwegs begabter Schneider beim echten prêt-à-porter zumindest die Länge von Ärmeln und Hosenbeinen anpassen kann, blieb beim kulinarischen Prêt-à-porter der Geschmack dauerhaft industriell.

12. N OUVELLE C UISINE RUND UM DIE W ELT
    Schon immer zogen französische Köche in die Welt und passten ihre Küche an die dortigen Gegebenheiten an. Carême kochte beim Zaren. Viele Gerichte bei Franz Pfordte waren deutlich französisch inspiriert. Le Pavillon mit Henri Soulé war das französische Restaurant im New York der Vierziger- bis Sechzigerjahre.
    Nun war die Nouvelle Cuisine die erste Küchenmode, die weltweit mit allen Kommunikationsmethoden vermarktet wurde. Michel Guérard prangte ebenso wie Millau und Gault auf dem Cover des Time Magazine in den USA. Bocuses Bild zierte die Titelseiten weltweit, der Mann aus Lyon sammelte bald Ehrungen wie »Koch des Jahrhunderts«. Hohe, weiße Mützen tauchten weltweit auf Fernsehschirmen auf.
    Eine Premiere. Die Nouvelle Cuisine hatte die Köche in nie gekannter Form ins Rampenlicht befördert und weit über Frankreich hinaus Interesse an guter Küche geweckt. Auch die Köche selbst wurden durch das plötzliche öffentliche Interesse an ihrem Beruf motiviert, quer durch Europa und bis in die USA.
    In Brüssel machte der junge Pierre Wynants die Kneipe seines Vaters an der Place Rouppe zum Feinschmeckerrestaurant.

Das Genie aus der Schweiz
    In Crissier bei Lausanne in der Schweiz gelang Frédy Girardet (*1936) eine Karriere wie vom Tellerwäscher zum Millionär. Eigentlich sollte der junge Frédy Typograf werden. Sein Vater Benjamin, Küchenchef im Hôtel Central Bellevue in Lausanne, kannte schließlich die Entsagungen des Kochberufs: arbeiten, wenn andere feiern, kaum Freizeit, nicht einmal Zeit für die Familie. Ihre gemeinsame Zeit verbrachten Vater und Sohn auf dem Flon-Markt in der Rue Centrale. »Damals hat mir mein Vater alles beigebracht. Die Zutaten, die wir kauften, mussten die

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