Die Erfinder Des Todes
bestandenes Doktorexamen gefeiert und waren mit einem klapprigen VW-Bus durch Spanien gefahren, von einer Stadt zur anderen, wo sie die wichtigsten Attraktionen besuchten. Toledo – das waren El Greco, Ferdinand und Isabella, Schaufenster voller Waffen und Schwerter und ein besonders köstliches Wachtelgericht, wie sie sich erinnerte.
Hätte damals jemand der jungen Psychologin, die gerade frisch von der Uni kam, vor-ausgesagt, dass sie eines Tages als Beraterin der spanischen Polizei hierher zurückkehren würde, hätte sie dies bestimmt für eine Schnapsidee gehalten.
Die erste Leiche war in einer tiefen, waldreichen Schlucht gefunden worden, die etwa eine Meile vor den Toren der Stadt zum Tajo hinunter verlief. Nach örtlicher Sitte hatte die Schlucht den schrecklichen Namen La Degollada – laut Fionas spanischem Wörterbuch »die Frau mit durchschnittener Kehle«.
Die Leiche der historischen Degollada sollte ein Zigeuner-mädchen gewesen sein, das einen der Wachsoldaten verführte und damit einen zunächst unbemerkten Angriff auf die Stadt ermöglichte. Zur Strafe dafür, dass sie einem Soldaten den Kopf verdreht hatte, verlor sie den ihren dann tatsächlich. Ihre Kehle war so tief aufgeschlitzt, dass es praktisch einer Enthauptung gleichkam. Fiona bemerkte müde, aber ohne Überraschung, dass Major Berrocals Bericht nichts über das Schicksal des Soldaten enthielt.
Das jetzige Opfer war eine fünfundzwanzigjährige Deutsche, Martina Albrecht. Sie hatte gelegentlich als Reiseführerin gearbeitet und deutschsprachige Führungen durch Toledo organisiert. Ihre Freunde und Nachbarn berichteten, dass sie einen Lover gehabt habe, einen verheirateten, nicht hochrangigen Offizier der spanischen Armee, der dem Verteidigungs-ministerium in Madrid zugeteilt war. Er war in der Mordnacht bei einem offiziellen Festessen in der etwa sechzig Kilometer entfernten Hauptstadt gewesen. Man trank dort noch Kaffee und Cognac, als Martinas Leiche entdeckt wurde, so dass auf ihn kein Verdacht fallen konnte. Außerdem meinten Martinas Freunde, sie sei mit dieser Teilzeitbeziehung ganz zufrieden gewesen und habe nichts geäußert, was auf Probleme zwischen den beiden hingewiesen hätte.
Die Leiche wurde kurz vor Mitternacht von einem verliebten Teenager-Paar gefunden, das seine Motorräder an der Straße geparkt und sich neugierigen Blicken durch den Abstieg in die Schlucht entzogen hatte. Auch sie kamen als Verdächtige nicht in Frage, obwohl der Vater des Mädchens ihrem Freund unterstellt haben sollte, er sei durchaus zu einem Mord in der Lage, weil der Junge nach Ansicht des Vaters ein unschuldiges junges Mädchen verdarb.
Nach dem gerichtsmedizinischen Bericht hatte Martina im Mond-licht ausgestreckt auf dem Rücken gelegen, die Arme ausgebreitet und die Beine gespreizt. Der Pathologe fand heraus, dass ihre Kehle mit einer langen, sehr scharfen Klinge, vielleicht einem Bajonett, von links nach rechts aufgeschlitzt worden war und dass der Täter wahrscheinlich hinter ihr gestanden hatte. Es war schwierig, dazu etwas Genaues zu sagen, und da Toledo für seine Stahlklingen berühmt ist, war der Erwerb von rasiermesserscharfen Messern in den vielen Touristenläden an den großen Straßen eine ganz alltägliche Sache. Der Tod war schnell eingetreten, denn das Blut trat stoßweise aus den beiden durchgetrennten Halsschlagadern aus. Martinas Kleider waren vom Blut getränkt, woraus man schließen konnte, dass sie stand und nicht lag, als ihr die Wunde beigebracht wurde.
Die weitere Untersuchung ergab, dass eine abgebrochene Weinflasche wiederholt in ihre Scheide gerammt worden war und das Gewebe zerfetzt hatte. Dass an dieser Stelle des Körpers nicht viel Blut zu sehen war, deutete darauf hin, dass Martina zu diesem Zeitpunkt Gott sei Dank schon tot war. Die Flasche hatte vorher billigen Rotwein aus der Mancha enthalten, den man in fast jedem Laden der Stadt kaufen konnte. Der einzige weitere Gegenstand von Interesse am Tatort war ein blutbefleckter Reiseführer von Toledo in deutscher Sprache. Martinas Name, Adresse und Telefonnummer waren in ihrer Handschrift auf die Innenseite des Umschlags gekritzelt.
Kriminaltechnische Spuren vom Mörder gab es nicht, auch keine Hinweise darauf, wie Martina in die Schlucht La Degollada gebracht worden war. Es war ein leicht zugänglicher Ort. Die am Tajo entlangführende Panoramastraße verlief hier oberhalb der Schlucht, und es gab in der Nähe viele Stellen, wo ein Auto neben der Straße
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