Die Erfinder Des Todes
erpicht war sie, als Helferin zu verpflichten. Die einzigen maßgeblichen Informationen, die die Polizei aus dem zweiten Mord hatte ableiten können, waren: Der Mörder war stark genug, einen 63
Kilo schweren Mann auf einer Leiter hinaufzutragen, und furchtlos genug, sein Opfer an einem öffentlichen Ort zur Schau zu stellen. Auf einem handgeschriebenen Zettel hatte Berrocal vermerkt, nach Schließung des Cafés sei die Gegend um die Kirche in den frühen Morgenstunden zwar ruhig, aber doch von mehreren Häusern aus zu überblicken. Deshalb habe der Mörder wohl die abgelegenste Stelle der Fassade für sein Spektakel gewählt, von wo aus er wahrscheinlich nicht so leicht gesehen werden konnte.
Fiona ließ sich auf dem Stuhl zurückfallen und reckte die Arme über den Kopf, während sie die Berichte noch einmal überdachte, die sie sorgfältig durchgearbeitet hatte. Der Fall war interessant, das stand außer Frage. Sie musste sich überlegen, ob sie mit einer konstruktiven Idee zu den Ermittlungen beitragen könnte. Sie hatte schon verschiedentlich mit ausländischen Polizeiabteilungen in Europa zusammengearbeitet und manchmal das Gefühl gehabt, ihre Arbeit werde dadurch beein-trächtigt, dass ihr ein tieferes, intuitives Verständnis für das Funktionieren der ihr fremden Gesellschaften fehlte.
Andererseits machten sich schon erste Ansätze einer Idee bemerkbar, wie dieser Mörder vorgegangen sein und wo die Polizei mit ihrer Suche anfangen könnte.
Eines stand jedoch fest. Während sie noch unschlüssig war, plante er schon seinen nächsten Mord. Fiona schenkte sich wieder ein und traf ihre Entscheidung.
Kapitel 4
Fiona war mit ihrem Spanienführer schon halb die Treppe hinuntergegangen, als sie hörte, wie die Haustür aufging.
»Hallo«, rief sie.
»Ich habe Steve mitgebracht«, antwortete Kit und klang, vom Alkohol entspannt, wie ein waschechter Einwohner von Manchester. Fiona war zu müde, um die Aussicht auf Trinken und Unterhaltung bis spät in die Nacht zu begrüßen. Aber wenigstens war es nur Steve. Er gehörte praktisch zur Familie und störte sich nicht daran, wenn sie zu Bett ging und die beiden allein ließ. Diese zwei wichtigsten Männer in ihrem Leben waren ein merkwürdig gegensätzliches Paar: Steve, groß, drahtig, dünn und dunkelhaarig, und Kit, dessen rasierter Kopf im Licht glänzte und der mit seinem breiten, muskulösen Oberkörper kleiner wirkte, als er war. Dabei sah Steve mit seinem unruhigen Blick und den langen, schmalen Fingern eher wie der Intellektuelle aus, während Kit mehr wie ein Streifen-polizist wirkte, der vielleicht nebenbei als Rausschmeißer in Nachtclubs arbeitete. Jetzt sahen sie mit dem gleichen verle-genen Klein-Jungen-Grinsen und geröteten Gesichtern zu ihr herauf.
»Das Essen war gut, wie ich sehe«, sagte Fiona trocken und lief die restlichen Stufen hinunter. Auf Zehenspitzen küsste sie Steves Wange, dann ließ sie sich von Kit in den Arm nehmen.
Er gab ihr einen schmatzenden Kuss auf den Mund. »Hast mir gefehlt«, sagte er, ließ sie los und trat in die Küche.
»Stimmt gar nicht«, widersprach ihm Fiona. »Ihr habt doch einen tollen Männerabend gehabt, habt einen Haufen abscheulicher Stücke von toten Tieren gegessen und ...« - sie hielt inne und legte den Kopf schief, während sie die beiden taxierte – »... drei Flaschen Rotwein getrunken ...«
»Sie irrt sich nie«, warf Kit ein.
»... und ihr habt die Welt wieder in Ordnung gebracht«, schloss Fiona. »Da wart ihr doch ohne mich viel besser dran.«
Steve zwängte seinen langen Körper auf einen Küchenstuhl und nahm das Glas Brandy, das Kit ihm hinhielt. Er wirkte wie jemand, der unter Beschuss stand und nun vorsichtig das Gefühl zulässt, an einem sicheren Ort angekommen zu sein. Er hob sein Glas zu einem spöttischen Toast. »Wünschen wir unseren Feinden Verwirrung. Du hast Recht, Fi, aber aus den falschen Gründen«, sagte er.
Fiona setzte sich ihm gegenüber und zog ihr Weinglas zu sich heran. Er hatte sie neugierig gemacht. »Es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte sie mit leichtem Spott.
»Fi, ich war froh, dass du heute nicht dabei warst. Du bildest dir schließlich so schon genug auf deine Arbeit ein, du musst dir nicht auch noch anhören, wie ich herumschimpfe, dass ich die Demütigungen von heute nie über mich hätte ergehen lassen müssen, wenn ich mit dir statt mit diesem Arschloch Horsforth zusammen-gearbeitet hätte.« Steve hob abwehrend die Hand, um Kit
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