Die Erfinder Des Todes
dumpfen Kopfschmerz, der immer noch seinen Schädel fast sprengte.
Er hatte keinen Zeitbegriff mehr. Er wusste nur, dass er in diesem Fahrzeug eingesperrt und mindestens seit zwei Stunden unterwegs war. Und das wusste er nur, weil eine sublime Form der Folter ihn zwang, seiner eigenen Stimme zuzuhören, die mit seinen eigenen Worten das beschrieb, was er als sein eigenes Schicksal erahnte. Nach seiner Schätzung stand ihm noch eine Stunde des Hörbuchs The Blood Painter bevor.
Er hatte versucht, wegzuhören, in Gedanken seine Lieblings-lieder zu singen. Aber es funktionierte nicht. Die grausame Geschichte drang immer wieder in sein Bewusstsein. Es war die Ironie des Schicksals, dass die Macht seiner eigenen Begabung ihn nicht losließ.
Wenigstens gab es Hoffnung, solange sie noch fuhren.
Irgendwann würde sein Peiniger anhalten müssen, um zu tanken. Es würde seine Chance sein. Er könnte versuchen, gegen die Hecktür oder den Kofferraum zu treten, oder was immer sonst ihn daran hinderte, auf die Straße hinauszurollen. Er dachte zurück. Was für Schuhwerk hatte er an den Füßen?
Sein Herz krampfte sich zusammen. Er war den ganzen Tag im Haus gewesen und trug Mokassinslipper. Selbst mit der ganzen Kraft seiner Beine hätte er damit nur ein dumpfes Pochen zu Stande gebracht — kaum hörbar beim ratternden Geräusch der Benzinpumpen.
Und er glaubte nicht, dass ein so vorsichtiger Mann wie der, der ihn gefangen genommen hatte, mitten auf einer belebten Tankstelle parken und Kit allein lassen würde, um einen Hamburger und Kaffee zu sich zu nehmen.
Aber er musste doch etwas tun können! Schließlich hatte er diese Falle selbst erfunden. Wenn es eine Fluchtmöglichkeit gab, sollte er in der Lage sein, sie aufzuspüren.
Hilfreich wäre allerdings gewesen, nicht immer seiner eigenen Stimme zuhören zu müssen, die ihn zum Sterben verdammte.
Lee Gustafsons Telefonnummer zu finden war für Fiona kein großes Problem. Internationale Auskunftsdienste verzeichneten zwar keinen Eintrag von ihm, was sie nicht überraschte. Sie hatte nur aus Höflichkeit zuerst diese Möglichkeit versucht.
Aber prinzipiell hatte sie keine Gewissensbisse, jemanden aus der Gruppe von Autoren anzurufen, deren Nummern in ihrem Adressbuch standen. In diesem Fall machte es nichts aus, dass es schon auf ein Uhr morgens zuging. Trotzdem wählte sie Charlie Thompson bewusst zu-erst aus. Charlie lebte allein, und sie wusste, dass er eine Nachteule war. Vielleicht lag er gemütlich ausgestreckt in seinem Sessel und sah sich ein Horrorvideo an, die Katze auf der Brust und ein Glas Armagnac neben sich. Lieber ihn stören als jemanden, der durch ihren Anruf aus dem Schlaf geschreckt wurde.
Das Telefon wurde beim vierten Klingeln abgenommen. »Grüße an dich, Erdling« dröhnte eine tiefe Bassstimme an ihr Ohr.
»Hallo, Charlie. Hier ist Fiona Cameron.«
»Guter Gott. Solltest du nicht zu dieser nachtschlafenden Zeit schon längst in einen Kürbis verwandelt sein? Oder sprichst du tatsächlich aus der Obst- und Gemüseabteilung bei Tesco?«
Fiona biss die Zähne zusammen und zwang sich, ihn nicht anzu-schreien. »Es tut mir Leid, dich zu stören, Charlie, aber Kit ist verreist, und ich brauche Lee Gustafsons Nummer.«
»Fiona, Schätzchen, wenn du willst, dass ein Mann dir Zärtlichkeiten ins Ohr flüstert, brauchst du doch nicht das Geld für internationale Ferngespräche zu zahlen. Ich würde das gern übernehmen.« Er lachte leise vor sich hin.
»Ich werde das im Hinterkopf behalten, Charlie. Hast du Lees Nummer?«
»Wieder mal abgeblitzt, hm? Bleib dran, Fiona, sie ist im anderen Zimmer.« Sie hörte Möbel knarren, eine Katze meutern, dann schwere Schritte, die sich entfernten und leiser wurden.
Charlie war der einzige Mann in ihrer Bekanntschaft, der im Haus Bikerstiefel trug. Eine lange Minute verging, dann kamen die polternden Schritte wieder. »Bist du noch da? Hast du was zum Schreiben?«
»Ja, sowohl als auch.«
Er las ihr Gustafsons Nummer vor und wiederholte sie zur Sicherheit.
»Viel Spaß mit Lee«, fügte er hinzu. »Aber nicht so viel, dass du vergisst, wie sehr mein Herz immer noch für dich brennt.«
»Das könnte ich nie vergessen, Charlie.« Fiona zwang sich zu dem üblichen koketten Geplänkel, das zu ihrer Freundschaft gehörte. »Noch mal danke.«
»Kein Problem. Und sag deinem Liebsten, er schuldet mir eine E-Mail.«
»Mach ich. Gute Nacht.«
»Werd's versuchen.« Die Verbindung brach ab, und Fiona rief
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