Die Erfinder Des Todes
wurde.
Es heißt, dass die Londoner Polizei den Tipp, Smithfield Market zu durchsuchen, von einer Psychologin und Profilerin bekam –
einer jener legendären Clarice Starlings (und wir wissen ja alle, was mit Clarice passierte, nicht wahr???), die austüfteln, was die Verbrecher als Nächstes tun werden. Allerdings braucht man kein Doktor der Psychologie zu sein, um in diesem Fall darauf zu kommen. Man muss nur lesen können.
Trotzdem werden einige Thrillerautoren heute Abend ruhiger schlafen können. Denn wenn Redford nicht geschickterweise gerade jetzt ausgepackt hätte, könnte man seinen letzten Dollar darauf verwetten, dass es noch lange gedauert und noch einige Leichen gegeben hätte, bevor es der Polizei gelungen wäre, ihn einzukassieren.
Denkt daran, ihr habt's zuerst gelesen bei MURDER BEHIND THE HEADLINES
Fiona ärgerte sich über sich selbst, weil sie der heimtückischen Bosheit der Webseite erlegen war, und meldete sich vom Internet ab. Sie hatte fast eine Stunde damit zugebracht und war nicht weitergekommen.
Frustriert wählte sie noch einmal Steves Nummer. Keine Änderung. Er war immer noch nicht zu erreichen. Fiona schloss die Au-gen und rieb sich langsam die Schläfen. Irgendwo weit unten in ihrem Gedächtnis musste es etwas geben, musste sie etwas wissen, was sie zur Hütte führen könnte. Denk an etwas anderes, sagte sie sich. Lass dein Unterbewusstsein für dich arbeiten. Aber das war leichter gesagt als getan in einer Situation, in der sie nur an Kit und die Tortur denken konnte, die ihm vielleicht widerfuhr.
Ein Spaziergang würde helfen. Ein schneller Gang durch die Straßen der Umgebung, bei dem sie sich zwingen konnte, die Einzelheiten der Häuser und Gärten wahrzunehmen. Das könnte ihre Gedanken so frei machen, dass sich die Tür zu der Information öffnete, von der sie wusste, dass sie da sein musste.
Sie war froh, etwas Positives vorzuhaben, sprang auf und nahm ihren Regenmantel, der noch als feuchtes Bündel auf dem Bett lag, wo sie ihn hingeworfen hatte. Sie zog ihn über, ergriff ihr Handy und rannte beinahe zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und auf die Straße.
Sie ging nach rechts, kam an Reihenhäusern vorbei und schaute sich jedes genau an, sah in den Souterrainräumen, mit welchen Mitteln die Bewohner sie schön gestaltet hatten. Sie betrachtete die Gardinen, bewunderte einen besonders kräftigen wilden Wein, merkte sich das Aussehen eines verzierten Türklopfers –
all dies, um ihre grauen Zellen zu beschäftigen.
Am Ende der Straße bog sie links ab, ging den Hügel in Richtung Stockbridge hinunter und beschrieb dabei für sich selbst die hohen Sandsteingebäude, an denen sie vorbeikam. Am unteren Ende des Hügels starrte sie in das Fenster eines Spirituosenladens und wählte in Gedanken einige Flaschen aus dem Schaufenster für sich aus. Sie überquerte die Straße, ging den Hügel wieder hinauf, und dabei hielt sie nicht ein einziges Mal bei der Bestandsaufnahme ihrer Umgebung inne.
Sie war die Straße halb hinaufgegangen, als ihr Gedächtnis den Schatz freigab, von dem sie wusste, dass er dort verborgen lag.
»Lee Gustafson«, sagte sie erstaunt mit lauter Stimme. Dann lief sie zum Hotelzimmer zurück, um die Erleuchtung, die ihr gerade geschenkt worden war, in die Tat umzusetzen.
Dabei bemerkte sie den entgeisterten Blick des Nachtportiers gar nicht, als sie durch den Empfangsbereich rannte und die Treppe hinaufeilte. Noch bevor die Tür zuschlug, flog ihr Regenmantel als zerknitterter Haufen aufs Bett, und sie saß an ihrem Laptop. Lee Gustafson war ein amerikanischer Schriftsteller, der Thriller über ökologische Themen schrieb. Er hatte in den USA denselben Verleger wie Kit. Sie waren zwei Jahre zuvor einmal auf eine gemeinsame Lesereise geschickt worden, hatten in den Krimibuchhandlungen des Mittelwestens zusammen getrunken und eine Freundschaft geschlossen, die sie über E-Mail weiter pflegten. Gerade ein Jahr zuvor hatte Kit Lee erlaubt, seine Hütte zu benutzen, damit er Recherchen zur Erhaltung seltener Arten in den Highlands machen konnte. Lee Gustafson musste wissen, wo die Hütte war.
Jetzt musste sie nur noch Lee finden.
Über Glasgow stand im Westen ein orangegelber Schein. Aber Kit sah nichts davon. Er hatte einen quälenden Krampf in dem Arm gehabt, auf dem er lag, hatte es aber geschafft, sich auf den Bauch zu drehen. Die Schmerzen in seinen Schultern und das Kribbeln im Bein waren besser geworden, aber das war keine Hilfe gegen den
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