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Die Erfinder Des Todes

Die Erfinder Des Todes

Titel: Die Erfinder Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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verlockend und regte Kits Phantasie an.
    Es war nicht schwer, die modernen Bilder auszulöschen und sich die Straßen so vorzustellen, wie sie einst gewesen sein mussten. Die Gebäude waren noch da, hohe Mietshäuser zwischen schmalen, sich windenden Passagen und Fassaden mit ausgebesserten, schadhaften Backsteinwänden oder hellen Gipsflächen, von denen die meisten schon bessere Tage gesehen hatten. Ihre Fensterläden waren gegen die Septemberhitze geschlossen, so dass nur die wäschebehangenen, über die Gassen gespannten Leinen die Vorderansicht unterbrachen.
    Als es Zeit für die Siesta wurde, leerten sich die Straßen. Kit war fast allein, während er das Labyrinth der Straßen zwischen der Kathedrale und der Klosterkirche San Juan de los Reyes durchquerte und mit Hilfe seines Stadtplans das alte Judenviertel, die Juderia, besuchte.
    Er ging eine Treppe hinauf, die ihn zwischen hohen, schmucklosen Wänden zu einem kleinen Garten mit Bänken führte, von wo aus man eine eindrucksvolle Aussicht hatte. Aber Rundblicke in der jetzigen Welt waren nicht das, was Kit suchte.
    Er verließ in Gedanken die Gegenwart, blickte über die hellen Ziegeldächer hinweg, blendete Fernsehantennen und Satelliten-schüsseln aus und ließ sich in die Vergangenheit zurücktragen.
    Bei der Inquisition war es angeblich darum gegangen, die reine christliche Lehre in Spanien zu festigen. Aber Kit glaubte, dass sie in Wirklichkeit mehr mit Antisemitismus und Habgier zu tun hatte. Schließlich hatten die meisten repressiven, konservativen Bewegungen ähnliche Wurzeln. Damals wurden die spanischen Juden als zu mächtig und wohlhabend angesehen. Aus einem angenehmen, sicheren und gut situierten Leben wurden sie über Nacht in eine wahre Hölle auf Erden gestürzt.
    Eine Art Hysterie musste in den Städten Kastiliens und Aragons ausgebrochen sein, wobei alle, die einen Groll hegten, die Gelegenheit gekommen sahen, mit ihren Feinden abzurechnen: ein Freibrief für die Unfähigen, die Gehässigen und die Selbstgerechten, grübelte Kit.
    Und war man einmal beschuldigt worden, war es fast unmöglich, unbeschadet zu entkommen. Wenn es so etwas wie die Reinkarnation gäbe, dachte Kit, wäre Torquemada wahrscheinlich als Senator Joe McCarthy wieder zur Welt gekommen. »Bist du jetzt oder warst du jemals ein Ketzer?«
    Die ganze Gesellschaft war wohl davon vergiftet. Niemand konnte sich sicher fühlen, außer vielleicht der Großinquisitor selbst und die Gruppe seiner Helfer. Schließlich hatten sie einen besonderen Dispens vom Papst. Wenn jemand bei der Folter zu Tode kam oder sonst ein Fehler passierte, hatten sie die Macht, sich gegenseitig freizusprechen, so dass ihre Hände und Seelen unbefleckt blieben.
    Und jetzt ging wieder ein Mörder durch die Straßen Toledos, ließ die alten Alpträume wieder aufleben und warf einen dunklen Schatten über diesen Tummelplatz der Touristen. Seine Beute mochte im Vergleich zu den offiziell abgesegneten Morden der Inquisition unbedeutend sein, aber für alle, die vom Tod betroffen wurden, waren der Schmerz und die Verwirrung gleich groß. Damit musste sich Fiona befassen, und er beneidete sie kein bisschen darum. Sie wurde von ihren eigenen Gespenstern heimgesucht, und im Gegensatz zu dem, was sie sich einredete, glaubte er, dass ihre Arbeit nicht gerade dazu beitrug, sie zur Ruhe kommen zu lassen. Aber er würde sie nicht drängen. Sie würde aus eigenem freiem Willen zu diesem Schluss kommen müssen, auch wenn sie noch lange nicht so weit war. Er beneidete sie nicht um diese Reise. Sein Land der Phantasie war ein Ort, an dem es sich viel leichter lebte.
    Obwohl die Sonne warm war, überkam Kit plötzlich ein Frösteln. Es stimmte, dass an einem Ort der Geist früherer Ereignisse erhalten blieb. Trotz der Schönheit, die ihn umgab, war es nur allzu leicht, die gequälten Geister früherer Schreckenstaten wachzurufen.
    Hier war, so dachte er, ein natürliches Pflaster für einen Serienkiller.

Kapitel 8
    Drew Shand lehnte sich zurück, ließ die Schultern kreisen und zog eine Grimasse, als sie krachten und knackten. Er hatte alle möglichen Einstellungen des teuren ergonomischen Spezial-stuhls probiert, aber gegen Ende eines Arbeitstages wurde er immer genauso steif wie auf dem billigen Küchenstuhl, auf dem er sich früher über seinen gebraucht gekauften Laptop gebeugt hatte. Den elektrisch verstellbaren Stuhl hatte er sich als Erstes von seinem bekanntermaßen beträchtlichen Vorschuss auf seinen ersten

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