Die Erfinder Des Todes
keine Sätze geschrieben, keine Anrufe angenommen.
Alles war noch möglich.
Nach und nach steigerte sie ihr Tempo und steuerte auf die Mauer zu, die ihr Anwesen begrenzte. Fünfeinhalb Meilen, die perfekte Strecke für einen Morgenlauf. Sie konnte sich innerhalb der Umgrenzung ihres Besitzes absolut ungestört bewegen, sicher vor neugierigen Blicken und ohne Angst.
Der Wachmann, der die Überwachungskameras bediente, zählte für sie nicht zu den neugierigen Blicken. Schließlich bezahlte sie ihn dafür, dass er sich um ihre Sicherheit kümmerte. Es störte sie nicht, wenn er ihr beim Laufen zusah. Sie lebten in verschiedenen Welten, er in seinem fensterlosen Büro, sein kräftiger Körper in einem Khakihemd und einer dunkelblauen Hose und mit seinem Walkie-Talkie an der Hüfte. Sein bescheidenes Privatleben spielte sich irgendwo anders ab. Sie dagegen an der frischen Luft auf ihrem eigenen Grund und Boden. Ihr blondes Haar mit Strähnchen wurde von einem Stirnband zusammengehalten, ihre schlanken, muskulösen Glieder steckten in einem leichten Trainingsanzug, und ihre Füße bewegten sich in regelmäßigem Rhythmus, während sie über die vor ihr liegende Arbeit dieses Morgens nachdachte.
Nach dem Laufen ließ sie die Hunde in den Zwinger, wo sie sie mit klein geschnittenen Steaks und vitaminhaltigen Hunde-kuchen fütterte. Während sie noch an ihrem Futter herum-schnupperten, war sie schon durch die Küche des großen alten Herrenhauses zu ihrem Bad unterwegs, das niemand sonst benutzen durfte, nicht einmal ihr Lover Pierce Finnegan. Genau fünf Minuten unter der heißen Dusche, dann ein eiskalter Wasserschwall, um die Poren zu schließen, und Jane war bei der nächsten Phase ihres täglichen Programms. Flink trocknete sie sich ab und rieb sich vom Kinn bis zu den Zehen mit teurer Aromatherapie-Lotion ein. Dann kamen Feuchtigkeitscreme fürs Gesicht, Gel für die Augen und dunkel-roter Lippenstift.
In Jeans und einem karierten Hemd aus Seide und Wolle ging sie in die Küche zurück, aß frischen Obstsalat, eine Scheibe Vollkorntoast mit Erdnussbutter aus biologischem Anbau und trank ein großes Glas Tomatensaft. Früher hatte sie fünfundzwanzig Pfund zu viel gewogen. Übergewicht gehörte zu den vielen Dingen in ihrem Leben, die nie mehr vorkommen würden.
Um halb acht war sie in ihrem Büro, die Arbeit des Tages war auf einem der zwei großen Schreibtische aufgereiht, die an der Wand standen. Ihre heutige Aufgabe bestand darin, die Fahnen ihres demnächst erscheinenden Romans zu korrigieren. Die nächsten fünf Stunden konzentrierte sie sich auf die bedruckten Seiten, las jede Zeile auf Fehler durch, änderte hier und da einen Satz, den sie nun ungeschickt fand. Manchmal griff sie sich das Wörterbuch, um die Rechtschreibung noch einmal zu überprüfen, die ihr merkwürdig erschien.
Genau um halb eins schob Jane den Stuhl vom Schreibtisch zurück und streckte die Arme über den Kopf. Durch das stille Haus ging sie in die Küche zurück, schaltete das Radio an, stellte einen Sender mit klassischer Musik ein und nahm eine Portion gefrorene Gemüsesuppe aus dem Gefrierschrank.
Während diese in der Mikrowelle aufgewärmt wurde, öffnete sie die Post, die der Wachmann gebracht hatte, als sie noch bei der Arbeit war. Nach der Suppe und zwei Scheiben Brot kehrte sie zu ihrem Büro zurück, wo sie die Antworten zu den neu einge-troffenen Briefen diktierte.
Sie legte das Band auf die Arbeitsfläche in der Küche, von wo der Wachmann es mitnehmen und bei der Frau in der nahe gelegenen Stadt abliefern würde, die als ihre Sekretärin fungierte. Die Briefe würden am selben Abend auf einer Diskette wieder bei Jane eintreffen, damit sie sie ausdrucken und unterschreiben konnte. Die zwei Frauen trafen sich nur selten bei gesellschaftlichen Anlässen in der Stadt, aber ihre Zusammenarbeit funktionierte trotzdem gut.
Jane ging in den Zwinger, nahm eine Fleecejacke und ließ die Hunde wieder aufs freie Gelände hinaus. Mit erhobenem Kopf die frische Nachmittagsluft einatmend, lief sie den Weg zum Landesteg hinunter und prüfte den Wind. Die Wolkendecke hatte sich aufgelöst, und an dem blauen Himmel waren nur noch hier und da hingekleckste Kumuluswölkchen zu sehen. Sie schätzte den Wind auf etwa Stärke fünf, genau richtig für einen flotten Törn im sieben Meter langen Beneteau First Classic, das zur Zeit ihr Lieblingsboot von den dreien in ihrem kleinen privaten Hafen war. Es war perfekt, wenn man allein segelte,
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