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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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spielt Eisenbahn«, sagte sie leise.
    Polizisten durchsuchten die Zimmer nach Hinweisen, aber es war eine sinnlose Suche, und sie wussten es.
    »Telefon, Chef.« Ein junger Beamter reichte Funkel das Handy.
    »Ja«, sagte Funkel und hörte zu. Dann gab er das Telefon seinem Kollegen zurück, unternahm einen neuen, vergeblichen Versuch, Kirsten aufs Sofa zu setzen, und hielt sie mit beiden Armen fest.
    »Es hat einen Todesfall gegeben«, sagte er zu seinen Kollegen, die ihre Gespräche beendeten und sich in dem engen Zimmer um ihn scharten. »Frank Oberfellner ist in seiner Wohnung tot aufgefunden worden. Dem ersten Augenschein nach wurde er erstochen.«
     
    »Und Sie sind sicher, dass der Mann, den Sie weglaufen sahen, Raphaels Vater war?«, fragte Tabor Süden.
    »Sicher«, sagte Oda Hottrop, die ein schwarzes Cape und einen ausladenden schwarzen Hut trug.
    Sie standen im Treppenhaus vor Oberfellners Wohnung in der Alramstraße.
    »Der hat den umgebracht, den armen Mann. Der Herr Oberfellner hat niemand was getan, ich kenn ihn schon seit Jahren«, sagte sie und versperrte mit ihrer hünenhaften Gestalt den Beamten der Spurensicherung den Weg.
    »Hatte er ein Messer bei sich?«, fragte Süden.
    »Kann schon sein.«
    »Ja oder nein?«
    »Kann schon sein.«

13
    Dreizehn
    S agen Sie, sind Sie abergläubisch, Herr Kommissar?«, fragte Oda Hottrop.
    »Nein«, sagte Tabor Süden.
    »Aber ich! Die Dreizehn bringt Unglück, das weiß doch jeder. Früher, bei den alten Griechen, durften die Bauern am Dreizehnten nicht aussäen.«
    »Das hab ich nicht gewusst. Sie haben tatsächlich den Täter weglaufen sehen?«
    »Heute ist der Dreizehnte, und heute wurde Herr Oberfellner ermordet. Halten Sie das für einen Zufall?«
    »Ich halte nichts für einen Zufall.«
    »Sehen Sie: Und
wie
abergläubisch Sie sind!«

14
    Die Ungetrösteten essen allein
    I m Zuge der Tatrekonstruktion stießen die Fahnder auf eine Reihe widersprüchlicher Aussagen und Hinweise, was Rolf Stern, den zweiundfünfzigjährigen Leiter der Mordkommission, schon bald zu einem seiner Standardsätze veranlasste.
    »Wie Sie wissen, ist der Zweifel der Motor jedes kriminalistisch Denkenden«, sagte er in der ersten Besprechung an diesem Sonntagmittag, »und ich hab große Zweifel daran, dass hier ein kaltblütig geplanter Mord passiert ist. Der Doktor sagt, das Opfer ist verblutet, die Schnittwunde am Hals war tief, aber nicht tödlich. Irgendetwas hat den Mann davon abgehalten, Hilfe zu rufen.« Er zog an seiner Zigarette, die er sich selbst gedreht hatte, was er seit knapp dreißig Jahren zu tun pflegte; mit seinem goldenen Knopf im linken Ohr, seinem Lederkäppi, das er ebenso unermüdlich trug wie seinen grünen Parka, sah er aus wie der klassische Altachtundsechziger, und das war er auch; bei seiner Beförderung zum Ersten Hauptkommissar und Chef der Abteilung hatte er einen Smoking getragen, was der Staatssekretär im Innenministerium mit Wohlwollen aufnahm: »So sehen Sie schon viel besser aus als in dieser Studentenuniform! Weiter so!«
    »Was hat ihn davon abgehalten, Hilfe zu rufen?«, fragte er in die Runde der acht Polizisten, die in seinem Büro Platz genommen hatten. Nacheinander gingen sie auf die Fragen ein, die Stern ihnen stellte.
    »Möglicherweise war er zu betrunken, um richtig zu reagieren.«
    »Was wäre Ihrer Meinung nach das Richtige gewesen?«
    »Telefonieren.«
    »In welcher Entfernung zum Telefon wurde das Opfer gefunden?«, fragte Stern.
    »Das Telefon steht im Gang, und das Opfer lag im Wohnzimmer auf dem Boden. Es gab überall im Zimmer Blutspuren, aber nicht im Gang. Er hat keinen Versuch gemacht, das Telefon zu erreichen. Es sieht so aus, als sei er einfach liegen geblieben, das ist natürlich nur eine Vermutung …«
    »Das ist gut«, sagte Stern, »trauen Sie Ihrer Intuition!«
    »Nach allem, was wir bisher wissen, was uns der Doktor gesagt hat und was wir am Tatort gesehen haben, scheint mir, als wollte das Opfer gar keine Hilfe holen. Es ist am Boden liegen geblieben und gestorben.«
    »Ziemlich gewagt«, sagte ein anderer Polizist.
    »Was ist Ihr Eindruck?«, wurde er von Stern gefragt.
    »Wir haben eine Zeugin, die den Vater des verschwundenen Jungen in der Nähe des Tatorts gesehen hat. Das ist ein konkreter Anfangsverdacht, finde ich. Vielleicht hat dieser … Thomas Vogel auf das Opfer eingestochen und verhindert, dass es den Angriff überlebt …«
    »Wie verhindert?«
    »Indem er den Mann weiter mit einer Waffe

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