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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Interesse daran hatte, schon wieder Probleme wegen dem Jungen zu kriegen, er hat schwer darunter gelitten, dass er wegen ihm seine Arbeit verloren hat.«
    »Auf dem Zettel steht: Ich geh zu Opa, also wo geht er hin?«, fragte Süden.
    »Was versprichst du dir von der Eisenbahn?«, fragte Sonja. »Das ist eine stinknormale Modellbahn.«
    »Ich will sie mir nur ansehen«, sagte er.
    »Natürlich, du bist ja auch der
Seher.
Aber ohne meine Dienstmarke hast du keine Chance. Der Hausmeister ist misstrauisch.«
    »Du gibst ihm das Vertrauen zurück«, sagte Süden.
    »Genau, ihm geb ich das Vertrauen und Charly meine Dienstmarke. Was ich hier mache, ist illegal, du bist ein vom Dienst suspendierter Staatsbeamter, der eine Anzeige wegen Körperverletzung laufen und bald eine Dienstaufsichtsbeschwerde am Hals hat.«
    »Ich will den Jungen finden«, sagte er.
    »Das kannst du nicht allein. Was immer du da unten im Keller entdecken magst, du musst es mir und den Kollegen sagen, du kannst hier nicht einen Egotrip durchziehen, Tabor, es geht um das Leben dieses Kindes, und wir können es nur retten, wenn wir zusammenarbeiten. Ist dir das klar?«
    Er gab ihr, wieder einmal, keine Antwort, und es ärgerte sie, dass sie nicht fähig war, ihn dazu zu zwingen.
     
    Grau wie die Gegend stand ein VW Polo am Straßenrand, nicht weit entfernt von einer heruntergekommenen Garage, die direkt an einer Eisenbahnbrücke lag. Die Böschung wurde von einer Steinmauer abgestützt, die mit Graffiti bemalt war; im Nachtwind kullerten leere Getränkedosen über die Gehwege, alle zehn Minuten hallten Schritte und verklangen in der Dunkelheit. Es war eine schäbige Ecke, kaum Wohnungen, nur vernagelte Baracken, alte Werkstätten, triste niedrige Gebäude, die seit Jahren leer standen.
    Die Garage, in deren Nähe der Polo stand, war unbeleuchtet; eine Straßenlampe warf gelbes Licht auf ein zerknittertes Blechschild, das am Tor hing:
Betreten verboten!
Neben der Garage befand sich ein niedriger Anbau, in dem ein Büro untergebracht war. Es wirkte nach außen hin, als habe seit Ewigkeiten kein Mensch mehr darin gearbeitet; die Scheiben waren verdreckt, und die Holztür, die zur Hälfte aus einem Fenster bestand, war vollgesprayt worden. Hierher verirrte sich freiwillig niemand.
    »Ich hab Angst«, sagte Raphael. Er kauerte auf dem Beifahrersitz, eingehüllt in eine Kamelhaardecke, die Gustl im Auto seines Freundes gefunden hatte.
    »Sei ganz ruhig! Mein Kompagnon, der kommt gleich, und dann geht’s los«, sagte Gustl und machte sich damit selber Mut; sein Freund war seit einer halben Stunde überfällig. Außerdem kriegte er das Bild des schwer verletzten Oberfellner nicht mehr aus dem Kopf, das viele Blut auf dem Teppich, der stumme Schrei; und er hatte ihn einfach liegen lassen und war Hals über Kopf geflüchtet, abgehauen, hatte sich aus dem Staub gemacht und ihn verrecken lassen. Und der Kleine hatte alles mit ansehen müssen, und jetzt hatte er Angst, sie hatten beide Angst, ich hab genauso eine Scheißangst wie du – aber das sagte Gustl nicht laut, um den Jungen, der jetzt sein einziger und letzter Freund war, nicht noch mehr zu erschrecken.
    »Und du hast doch geschummelt, ich hab’s gemerkt!«
    »Hab ich nicht! Ich hab fair gespielt, ich hab eben Glück gehabt!« Er strich dem Jungen über den Kopf. »Ich freu mich schon auf unsere weitere Reise. Ich war noch nie da oben.«
    »Ist Frank tot?«, fragte Raphael und duckte sich und zog die Decke bis zu den Ohren hoch.
    »Nein, bestimmt nicht, der ist nicht tot …« Verzeih mir, Frankyboy, wieso hast du bloß dieses beschissene Messer in die Hand genommen, du Turbo-Arschloch? Warum sind wir jetzt nicht zu dritt hier?
    »Aber er hat geblutet.« Die kleine Stimme kam aus der Tiefe der Deckenhöhle.
    »Er war selber schuld, der Blödmann, er hat mich mit dem Messer angegriffen, da hab ich mich wehren müssen, du hast es selber gesehen. Komm, Raphael, setz dich zu mir, komm her, hier ist es viel wärmer.«
    Raphael mummelte sich in die Decke und wollte nicht mehr sprechen. Er bereute es jetzt, dass er in der vergangenen Nacht durch die Stadt gelaufen war, um Gustl zu suchen, und dass er nicht irgendwas anderes getan hatte; aber was? Er brauchte Gustl, damit er an sein Ziel kam, dahin, wo er immer schon hinwollte und wo sein Opa nie gewesen war. Und wenn er dann dort sein würde, brauchte er Gustl nicht mehr, der hatte sowieso keine Ahnung, was mit ihm los war, der dachte, er wäre bloß ein

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