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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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geklingelt?«, fragte Süden.
    »Nein.«
    Sie langte nach hinten und warf ihm zwei Abendzeitungen auf den Schoß. »Du bist der Aufmachermann des morgigen Tages.«
    Auf den Titelblättern war sein Foto, und die Schlagzeilen lauteten:
Polizist rastet aus: Schläge beim Verhör! –
Seher
am Ende: Er prügelt Unschuldige. – Wer schützt uns vor dem Prügelkommissar?
    »Woher haben die die Geschichte aus Taging?«, fragte Sonja.
    Süden warf die Zeitungen auf den Rücksitz. »Was ist mit Thomas Vogel? Ist er wieder frei?«
    »Natürlich. Er darf die Stadt nicht verlassen, das ist alles. Wir können ihm nichts beweisen. Wenn er Oberfellner erstochen hat, dann hätten wir Blut an seiner Kleidung finden müssen, und das haben wir nicht. Wir haben seine Wohnung in Pasing und die seiner Freundin durchsucht, nichts. Er sagt, er hat sich nicht umgezogen, und vielleicht stimmt das. Sein Anwalt hat Anzeige gegen dich erstattet, wegen Körperverletzung. Er hat zwei Ärzte eingeschaltet, die übereinstimmend bestätigen, dass Vogel nur durch viel Glück unverletzt blieb, dein Angriff hätte auch viel schlimmer ausgehen können.«
    Sie nahm seine Hand und streichelte sie. Dann gab sie ihm einen Kuss auf den Mund, den er nur schwach erwiderte. »Küss mich gefälligst!« Also erwies er ihr die Gefälligkeit, und sie hörte so lange nicht auf, bis er keine Luft mehr bekam.
    Sie sahen sich an, grüne Blicke im trüben Licht einer Straßenlampe.
    »Das hast du gut gemacht«, sagte sie.
    »Danke«, sagte er und leckte sich die Lippen.
    »Ich mein nicht das Küssen, das kann ich auch, ich mein, was du mit dem Kerl angestellt hast. Das war eine gute Vorstellung, und ich bin stolz auf dich. Ja, ich bin stolz auf dich.«
    »Ich konnte plötzlich seine Stimme nicht mehr hören«, sagte er ernst.
    »Sehr schön. Wirst du das in deinen Bericht schreiben?«
    »Ich weiß noch nicht, was ich schreiben werde. Wartest du schon lange hier unten?«
    »Eine Stunde, ich hab mir gedacht, dass du kommst, ich kenne dich. Wollen wir was essen gehen?«
    »Nein«, sagte er und machte die Tür auf. »Ich möchte mir diese Eisenbahn ansehen, von der du mir erzählt hast. Die Modelleisenbahn, die Raphaels Großvater gebaut hat und mit der sie immer gespielt haben.«
    »Wenn ich mich nicht irre, bist du nicht mehr im Dienst, Prügelkommissar.«
    »Ich will den Jungen finden, Sonja, ich hab Angst um ihn.«
    Er stieg aus und knallte die Tür zu. Sonja stellte ihren Lancia auf einem der leeren Parkplätze im Innenhof ab, und sie gingen durch den engen Durchgang der Wohnanlage zur Schlierseestraße.
    Es war kaum Verkehr, drüben auf der anderen Seite standen zwei blaue Linienbusse an den Haltestellen vor dem Giesinger Bahnhof.
    »Hör mir zu, Tabor«, sagte Sonja, »wir werden den Jungen finden, alle verfügbaren Beamten sind im Einsatz, auch der Hubschrauber mit der Infrarotkamera, und das LKA stellt Leute zur Verfügung, wir finden ihn, ganz bestimmt.«
    »Komm!« Er nahm sie an der Hand und rannte mit ihr über die breite Straße. Vor dem Haus mit den orangefarbenen Balkonverkleidungen, wo Georg Vogel gewohnt hatte, rauchten drei Jugendliche verschwörerisch Zigaretten; als sie die beiden Erwachsenen näher kommen sahen, trollten sie sich lässig von dannen.
    »Habt ihr August Anz aufgespürt?«, fragte Süden.
    »Nein, da ist eine Panne passiert. Die Kollegen sind davon ausgegangen, dass er mit seinem Auto weggefahren ist, weil sie es nirgends finden konnten. Sie haben die Marke und die Autonummer den Radiostationen mitgeteilt, damit die eine Suchmeldung rausgeben. Aber vor einer halben Stunde ist der rote Opel aufgetaucht, er stand in einer Seitenstraße in der Nähe des Tierparks, also nicht weit von Anz’ Wohnung entfernt. Dafür hat sich herausgestellt, dass auch Oberfellner ein Auto hatte, und das ist verschwunden, jedenfalls sieht es danach aus. Ein grauer Polo. Wir vermuten jetzt, dass August Anz mit dem unterwegs ist, weil wir rausgefunden haben, dass ihm Oberfellner öfter das Auto geliehen hat, wenn der Opel mal nicht funktionierte, und das war oft; Anz hat einen Zweitschlüssel für den Wagen. Glaubst du wirklich, dass Anz und der Junge gemeinsam abgehauen sind?«
    »Der Junge hat Vertrauen zu ihm, und Anz liebt den Jungen.«
    »Dann war es möglicherweise so, dass Anz bei Oberfellner war, vielleicht zusammen mit Raphael, es kam zum Streit zwischen den beiden Männern, vielleicht wegen Raphael, ich kann mir gut vorstellen, dass Oberfellner kein

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