Die Erfindung des Abschieds /
Hinterhof, in dem mehrere Autos vor Garagentoren standen. Keine Beleuchtung, von dem Flüchtenden war nichts zu sehen und zu hören.
Heuer sprang hinunter. Als seine Schuhe den Boden berührten, kam hinter einem Mercedes ein Schatten hervorgehechtet und riss ihn mit solcher Wucht um, dass er mit dem Kopf auf dem Pflaster aufschlug und seine Pistole, die er in den Hosenbund gesteckt hatte, herausfiel und über den Asphalt schlitterte. Der Fremde stürzte sich auf die Waffe, hob sie hoch, hielt sie mit beiden Händen fest und fuchtelte damit vor Heuer herum.
Der Polizist rappelte sich auf und drückte die Hand gegen die Schläfe, hinter der es grässlich rumorte.
»Nix! Nix!«, schrie der Mann und bewegte seine Hände hin und her.
»Spinnst du, leg die Pistole weg!«, rief Heuer laut und hoffte, seine Kollegen würden ihn hören. »Was ist denn los mit dir?«
»Du nix! Ich Feuer!«
»Was? Was soll das heißen, du Feuer? Nimm die Pistole runter, Mensch! Verstehst du mich nicht? Hey, nimm die Pistole runter, Mann!«
Der andere machte einen Schritt zurück, einen nach vorn, einen zur Seite, blickte sich panisch um und zeigte mit der Pistole auf Heuer, der behutsam und lautlos seine Hände flach auf dem Boden abstützte, um für den entscheidenden Sprung bereit zu sein.
»Du! Du!«, schrie der Mann, schob sich mit einer Hand die Mütze aus dem Gesicht, während er mit der anderen weiter die Pistole hielt. Er machte nicht den Eindruck, als habe er schon einmal eine Waffe benutzt; sein Zeigefinger berührte bedrohlich den Abzug.
»Es ist mir egal, ob du illegal hier bist, hast du verstanden? Das ist nicht mein Job. Wo kommst du eigentlich her? Albanien? Kroatien? Woher?«
»Du nix!«, schrie er, und Heuer sprang zur Seite, denn er hatte die Bewegung des Fingers trotz der Dunkelheit bemerkt. Ohrenbetäubend krachte ein Schuss und hallte an den Mauern wider; das Mündungsfeuer kam wie eine lodernde Zunge aus dem Lauf. Vor Schreck ließ der Mann die Waffe fallen und wollte wegrennen. Doch mit einem Hechtsprung war Heuer bei ihm, rang ihn zu Boden und bog ihm den Arm auf den Rücken. Der Mann schrie vor Schmerz. Heuer durchsuchte ihn und verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf.
»Du blöder Hund! Willst du mich umbringen? Du totaler Volltrottel, du saublöder!« Wieder watschte er den Hinterkopf des Fremden, der vor sich hin schluchzte und das Gesicht hinter den Händen vergrub.
Aus der Einfahrt am anderen Ende des Hofes kamen Funkel, Thon und Sonja angelaufen. Ein Streifenwagen hielt an der Straße, und zwei uniformierte Polizisten stiegen mit vorgehaltener Pistole aus.
»Alles okay!«, rief Heuer und hob seine Waffe auf. Er sicherte sie, schüttelte den Kopf und steckte sie ins Halfter. Dann packte er den Mann, der mit dem Gesicht nach unten dalag und sich nicht rührte, an der Schulter und zog ihn hoch. Sonja hatte sich schon öfter darüber gewundert, woher der kleine dünne Martin seine Kraft nahm.
Thon schaute dem Mann ins Gesicht. »Das war Mordversuch an einem Polizeibeamten, ist Ihnen das klar?«
Ebenso gut hätte er mit dem Mercedes sprechen können, hinter dem sich der Mann versteckt hatte.
»Der wollte nicht schießen«, sagte Heuer und massierte sich die Schläfen, was nicht das Geringste bewirkte. »Der ist einfach zu blöde, um eine Pistole festzuhalten. Du Feuer! Scheiße Feuer!«
»Welches Feuer?«, fragte Funkel.
»Keine Ahnung«, sagte Heuer und schloss die Augen, das Wummern in seinem Kopf wurde stärker.
»Er ist aus Rumänien und wohnt illegal bei seinem Bruder«, sagte Sonja und dachte an den heißen süß duftenden Tee, den ihr der verschreckte Mann im ersten Stock angeboten und den sie abgelehnt hatte.
»Du schreibst jetzt deinen Bericht, und dann nimmst du einen Tag frei, Martin!«, sagte Funkel. »Und du auch!«, sagte er zu Sonja, und zu Thon: »Wir beide müssen noch etwas besprechen wegen unserem Kollegen, du weißt, wen ich meine.«
Sie wussten es alle, und Sonja fürchtete sich plötzlich vor einer offiziellen Entscheidung, die unwiderruflich sein würde. »Da möchte ich auch dabei sein, das geht mich schließlich auch was an«, sagte sie.
Aber Funkel fiel ihr ins Wort: »Nein, das ist keine persönliche Angelegenheit mehr, ich hab heute Nachmittag mit dem Referenten des Finanzministers telefoniert, er hat mich angerufen und erklärt, der Minister wünsche eine Entscheidung, und zwar in den nächsten drei Tagen. Und ich werde diese Entscheidung fällen, ob es dir passt
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