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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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sogar ausländische Armeesocken: Auf dem rechten stand ein »R«, auf dem linken ein »L«, damit man sie nicht verwechselte. Seine Handgelenke waren mit Tüchern und blutigen Binden umwickelt, Gesicht und Hände waren ständig voller Kratzer oder Schnittwunden. Er sah aus wie einer, der Pizza direkt aus dem Karton mampft.
    *
    Nun räkelte er sich in der Sonne und redete wirres Zeug.
    – Schon gut, – sagte ich, – wenn du nicht willst, dann sag eben nichts. Wer hat denn bei euch die Buchhaltung gemacht?
    – Buchhaltung? – Kotscha klappte die Augen auf. – Was willst du mit der Buchhaltung?
    – Sehen, wie viel Kohle ihr habt.
    – Na super, Harry, Kohle haben wir nen ganzen Arsch voll. – Kotscha lachte nervös auf. – Du musst mit Olga reden. Dein Bruder hat mit ihr gearbeitet. Sie hat eine Firma in der Stadt.
    – Ist das etwa seine Schnalle?
    – Was für eine Schnalle denn? – Kotscha war beleidigt. – Ich hab doch gesagt, er hatte geschäftlich mit ihr zu tun.
    – Und wo hat sie ihr Büro?
    – Du willst doch nicht etwa gleich zu ihr?
    – Soll ich vielleicht weiter hier mit dir herumsitzen?
    – Heute ist Sonntag, Harry, da hat alles zu.
    – Und morgen?
    – Was – morgen?
    – Ist sie morgen im Büro?
    – Weiß nicht, vielleicht.
    – Okay, Kotscha, kümmere du dich um die Kundschaft, – sagte ich und warf einen Blick auf die leere Landstraße. – Ich will schlafen.
    – Dann ab in den Bauwagen, – sagte Kotscha. – Und schlaf gut.
    *
    Licht drang durch den Vorhang, füllte den Raum mit Flecken und Sonnenstaub. Heiße Streifen zogen sich über den Fußboden wie verschüttetes Mehl. Über der Tür war ein selbst gebastelter Vorhang aus Tonbändern angebracht. Kotscha musste lange daran gearbeitet haben. Ich ging hinein, ohne die Tür zuzumachen, und schaute mich um. Die Zugluft berührte die Tonbänder, sie raschelten leise wie Maisblätter. An den Wänden standen zwei durchgelegene Diwane, rechts war eine Küche eingerichtet, mit Herd, einem uralten Kühlschrank und diversen Utensilien an der Wand, links in der Ecke stand ein Schreibtisch bedeckt mit verdächtigem Müll, in dem zu wühlen ich keinen Bock hatte. Ein merkwürdiger Geruch stand in der Luft. Ich war davon überzeugt, dass es dort, wo Freund Kotscha wohnte, eigentlich stinken müsste. Wonach? Nach allem Möglichen: Blut, Sperma, Benzin. In Kotschas Bauwagen roch es jedoch nach gepflegtem Männeralltag, ein seltsamer Geruch, wie er auch in Witwerwohnungen zu finden ist, aber – wie soll ich mich ausdrücken – in den Wohnungen von Witwern, die mit sich im Reinen sind, bei denen das Selbstwertgefühl stimmt. Bei Kotscha stimmt das Selbstwertgefühl offenbar, dachte ich und ließ mich auf die Couch fallen, die mir sauberer und weniger durchgelegen erschien. Ließ mich fallen, trat mir die Turnschuhe von den Füßen, und plötzlich überwältigte mich die ganze Verworrenheit dieser Reise, die ganze Fahrerei, die Zwischenstopps und die Reisegefährten, ich erinnerte mich an Karolina und ihren süßen Trunk, an den schwarzen Himmel über dem Himbeergestrüpp und den Geschmack des Metalls, wenn man darauf schläft. Irgendwie fand dieser Morgen kein Ende, als ob etwas in den Mechanismen, die mich antrieben, kaputtgegangen wäre. Irgendetwas funktionierte nicht. Es war, als stünde ich in einem großen, leeren Raum, in den man fremde Leute gelassen und dann das Licht ausgeschaltet hatte. Und obwohl ich den Raum kannte, machte mich die Anwesenheit der Leute beklommen, sie standen herum und schwiegen, als verheimlichten sie mir etwas. Keine Panik, dachte ich beim Einschlafen, wenn was ist, kannst du ja jederzeit heimfahren.
    Die Wand über der Couch war mit Fotos, Zeitschriftenausschnitten und bunten Bildern vollgeklebt. Wie ein Süchtiger hatte Kotscha hier dicht an dicht Gesichtsfragmente und Körperkonturen geklebt, verstümmelte Menschenmengen, aus denen Augen und Münder herausgerissen waren, es handelte sich um heitere Collagen, als habe er lange Zeit Stücke verschiedener Geschichten aneinandergeklebt, Ausschnitte aus Zeitschriften, einfach nur Papier, darunter auch Flaschenetiketten und Flugblätter, Fotos aus Modezeitschriften und schwarzweiße Pornobildchen, Fußballkalender und ein Führerschein. Von weitem verschmolz das Ganze zu einem merkwürdigen Muster, als hätte jemand ausgiebig an der Fototapete gewütet. Aus der Nähe fielen unzählige Details ins Auge: das vergilbte Papier der Zeitungsausschnitte, die

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